"JENUFA" - 15. April 2009

Am Ende von Janáceks "Jenufa" haben die Hauptfiguren den emotionalen Wahnsinn überlebt und wagen den Schritt in eine zerbrechliche Zukunft. Die Menschheit hat diesen Schritt zu Beginn der Inszenierung von Barbara FREY bereits hinter sich. Die Landschaft ist karg felsig, alte, rostige Ölfässer gammeln vor sich hin, das Licht ist trüb grau (Bühne: Bettina MEYER). Aber im Hintergrund stehen zwei Windkrafträder, Zeichen der Besinnung, kurz bevor es zu spät gewesen wäre. Rettung ist möglich, vermittelt schon Janácek, und die Regie schließt sich an.

Barbara Frey kommt vom Schauspiel, was bei einem Komponisten, dem es sehr um Sprache, Sprachmelodie und Konversation ging, von Vorteil sein kann. Und so inszeniert sie die kleinen Gesten, Blicke, flüchtigen Berührungen, aber immer in Hinblick auf die große Opernbühne. Sie versinkt dabei keineswegs in Modernismus oder Folklorekitsch, sondern findet meist eine funktionierende Balance. So bei Števas Lied im ersten Akt, wo die Tänzer weder einfach wild umeinander hüpfen, noch in Volkstanz verfallen, sondern eine Symbiose aus beidem entsteht. Dem entsprechen auch die Kostüme (Bettina WALTER) als Mischung aus mal ländlich, mal bunt oder konservativ. Alles in allem ein sehr sparsames Konzept.

Denn dieses Konzept baut auf die Sänger oder überläßt ihnen die Arbeit. Und die Zusammenstellung hier ist vom Feinsten. Das beginnt bereits bei Publikumsliebling Helga DERNESCH als alte Buryja, die wie ein Geist der Vergangenheit in ihrer Welt lebt. Joseph KAISERs Števa scheint früh zu erkennen, daß er im Unrecht gegenüber Jenufa ist, ändern kann er sich trotzdem nicht, also weniger Haudrauf als rülpsende Trägheit.

Noch zurückhaltender ist Stefan MARGITAs Laca, der meist, die Hände in den Hosentaschen, die Szene beobachtet. Laca ist Margitas Paraderolle, und das merkt man. Selten hört man die Partie mit solcher Leichtigkeit, mit solchen Bögen in perfekter Artikulation. So muß Janacek sich das gedacht haben. Darstellerisch mehr gefordert ist natürlich Jenufa. Eva-Maria WESTBROEK ist mit der Rolle bestens vertraut und gestaltet die sitzen gelassene Frau, die ihr Kind verliert, eindringlich bis ins Detail, wie den in Schmerzen gebeugten Gang der gerade entbundenen Mutter. Stimmlich steht sie dem in nichts nach.

Ebenfalls stimmlich ein Genuß ist die Küsterin von Deborah POLASKI. Keine böse Schreierin, sondern aus Erfahrung wissende Frau von Anfang an, arbeitet auch sie mit kleinen Gesten in der großen Verzweiflung als hilflose Ziehmutter und später Kindsmörderin. Die weiteren Partien sind mit Christoph STEPHINGER als jovialem Dorfrichter, Heike GRÖTZINGER als seiner kindlich verhärmten Frau und Elena TSALLAGOVA als flippige Tochter Karolka in Gummistiefeln, sowie Christian RIEGER als Altgesell gut besetzt. Auch der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER kann einmal mehr glänzen.

Das Highlight dieser Produktion aber sind Kirill PETRENKO und das BAYERISCHE STAATSORCHESTER. Hier fließt die Musik mal kraftvoll mal zurückgenommen, immer auf den Punkt, immer lebendig, nie zu laut, nie zu kalt, nie zu kitschig. Welch ein Genuß! Am Ende viele Bravos und große Begeisterung. KS