"GIOVANNA D'ARCO" - 1. Oktober 2009

An ein Experiment wagte sich das Staatstheater am Gärtnerplatz, dieses mit großartigen Chorstücken und stimmenfordernden Arien der Hauptfiguren ausgestattete Frühwerk von Giuseppe Verdi in Verbindung mit Schillers "Jungfrau von Orléans" mit eingefügten Dialogen von Thomas Wünsch in der Originalsprache (Libretto Temistocle Solera) aufzuführen.

Thomas WÜNSCH übernahm auch die Inszenierung des Werks, die man ruhigen Gewissens als gelungen bezeichnen kann. Spannend brachte er die Geschichte der Jungfrau von Orléans von Anfang an zum Publikum. Er ließ die am Scheiterhaufen brennende Giovanna noch einmal die Stationen ihrer göttlichen Sendung Revue passieren, in dem er die Figur der Giovanna in einer Sprechrolle und einer Gesangsinterpretin (sehr einfühlsam und wirksam interpretiert die junge Jeanne d'Arc von der Schauspielerin Sieglinde ZÖRNER) alle Stationen ihrer Seelenkämpfe zwischen göttlichem Auftrag und irdischer Zuneigung und Liebe zum französischen König Karl VII mit hervorragendem Stellungsszenen (beide waren meist gemeinsam auf der Bühne) und Dialogen dazu ausstattete.

Auch den Erzengel Michael, der zu den Stimmen der Jeanne gehörte, stellte er dazu in der Sprechrolle des Herrn als Schutzengel (sehr gut Sebastian WINKLER) auf der Bühne und schaffte in der pantomimischen Figur der Verführung (Mark Oliver RÖMISCH) einen beeindruckenden Kontrast (ungeheuer durchdacht, als er das Böse aus dem Leib der Jeanne blutüberströmt hervorgehen ließ) und damit blutigen Hader und Zwietracht zwischen Frankreich und England demonstrieren konnte.

Durch diese Inszenierungsidee von Thomas Wünsch kam Verdis Musik nicht zu kurz - schon das erste Chorstück erinnerte (CHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ, Einstudierung Jörg Hinnerk ANDRESEN) an den wohl berühmtesten Verdichor "Va pensiero" aus "Nabucco", und in der Folge konnte man wohl alle diese Chorstücke des Werks als musikalische Höhepunkte des Abends ansehen. Henrik NÁNÀSI dirigierte werksgerecht das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ und konnte die Symbiose zwischen Musik und gesprochenem Text gut herausarbeiten.

Bühnenbild und Kostüme von Heiko MÖNNICH waren zeitgerecht auf das Werk zugeschneidert, fragmentweise unter Verwendung von Motiven aus manchen berühmten Gemälden bei den einzelnen Szenen, wie beispielsweise die Abendmalszene.

Die Besetzung der Hauptpartien, nicht nur in der Sängerriege, war durchdacht gewählt. Harrie VAN DER PLAS als Carlo VII zeigte schon gleich zu Anfang sein Können in der ersten Tenorarie, sie gelang ihm in Höhe und Ausdruck voll, und er konnte sich im Laufe des Abends dazu auch noch steigern. Die Titelrolle der Giovanna lag in den bewährten Händen von Sandra MOON, die in ausgezeichneter Abendform ihre Arien mit wundervollen Piani herüberbringen konnte. Durch das intensive Gebet am Scheiterhaufen zur Jungfrau Maria, das sehr eindrucksvoll in allen Angstfacetten des nahenden schmerzvollen Todes in forciertem Sprechgesang herüberkam, war ihre Stimme keinesfalls überfordert.

Den Vogel allerdings schoß Riccardo LOMBARDI als Giacomo ab, dessen gewaltiger ausdrucksbetonter Bariton in allen gerade für diese Partie von Verdi komponierten Arien eine absolute Spitzenleistung erbrachte. Nach längerer Pause am Staatstheater am Gärtnerplatz wünscht man sich, ihn wieder in allen stimmgerechten Baritonpartien dort zu hören. Die weiteren Partien der Sängerriege konnte Sebastian CAMPIONE als Talbot anführen. Die weiteren Rollen der Sänger und Schauspieler waren mit Adrian SANDU als Delil, Dirk DRIEGSANG als englischer und sterbender Soldat und Thomas HOHENBERGER als Herzog von Orleans, wobei unter den Schauspielern Klaus BRÜCKNER als Inquisitor eine sehr gute Studie gelang, gut besetzt.

Lebenserinnerungen und Traumvisionen unter einen Hut und auf eine Bühne zu bringen, ist eine äußerst schwierige Aufgabe, die Thomas Wünsch durch diese Inszenierungsidee voll gelungen ist - aber, hat es in dieser Form manche aus dem Publikum erreichen können? Es gab doch einige Buhs aus den Reihen des Publikums, die einfach nur einen seltenen Verdi ohne Sprechtext hören wollten. Schade. ISt