"DIE SACHE MAKROPULOS" - 19. März 2010

Regisseur Ulrich PETERS und sein Bühnenbildner Dieter RICHTER geben gleich im ersten Bild einen Hinweis auf die Lösung von Janáceks Opernkrimi. An der Wand der Anwaltskanzlei hängt ein Druck eines Gemäldes von Arcimboldo, einer der Hofmaler Rudolfs des Zweiten. Und wer ahnte zu diesem Zeitpunkt schon, daß des Rätsels Lösung sich in so ferner Vergangenheit befindet…

Noch befindet man sich im Jahre 1922, also vier Jahre vor der Uraufführung der Oper. Dort mischt sich die berühmte Sängerin Emilia Marty in einen seit langem schwelenden Erbschaftsstreit ein, und verblüfft mit Wissen über Dinge, die über 100 Jahre zurückliegen. Ganz nebenbei bezaubert sie die Männer; den jungen Janek so, daß er sich später aus verschmähter Liebe das Leben nimmt. Aber die Luft wird dünner um Emilia, sucht sie doch in der Nachlassenschaft nach den Rezept ihres Vaters Hieronymus Makropulos für ewiges Leben, daß der auf Geheiß Rudolfs an seiner eigenen Tochter testete; mit Erfolg, wie man jetzt feststellt. Am Schluß wird das Rezept vernichtet, und auch Emilia kann nach 337 Jahren endlich sterben.

Peters erzählt die Geschichte wie einen Agatha-Christie-Krimi. Gediegene Einrichtung; elegant zurückhaltend gekleidete Herren und schön ausstaffierte Damen (Kostüme vom Münchner Modelabel TALBOT RUNHOF) sitzen, stehen und machen Konversation. Die Aufregung und das Ungeheuerliche überläßt er der Musik, die unter David STAHL und seinem GÄRTNERPLATZORCHESTER wunderbar aufblüht, mal wuchtig, mal hintergründig, ganz zwischen "Taras Bulba" und 2. Streichquartett.

Daß dieser Ansatz trotzdem so gar nicht langweilig wird, liegt an den hervorragenden Protagonisten, allen voran Elaine ORTIZ ARANDES als Emilia. Wie ihr der Brückenschlag gelingt zwischen der zarten jungen betörenden Sängerin und der Frau, die in dreihundert Jahren so viel gesehen, so viel verloren hat, ist beeindruckend. Mit kleinen Gesten, Blicken und strahlender Stimme füllt sie jeden Aspekt der Partie aus. Dabei ist sie eher müde, zurückhaltend, fast schüchtern denn Femme fatale. Bei ihr ist schon früh klar, dass sie nicht weitere dreihundert Jahre dieses Leben leben will.

Einen würdigen "Gegenspieler" findet sie dabei im Jaroslav Prus von Gary MARTIN, der zum einen große Souverenität, aber auch Zerbrechlichkeit zeigen kann. Aber auch die weiteren Rollen sind gut besetzt, mit Stefan SEVENICH als Advokat Dr. Kolenatý, Rober SELLIER als dessen Sohn, oder Thérèse WINCENT als Christa. Fred SILLA-SILHANEK kommt bei all dem die Aufgabe zu, seinen Hauk-Schendorf, einen alten Geliebten Emilias, als Double des alten Janácek anzulegen. Beide scheint Peters in ihren Lieben für so verrückt zu halten, den verheirateten Hauk in seiner zur vermeintlich soviel jüngeren Sängerin und den ebenfalls verheirateten Janácek in der zur 38 Jahre jüngeren Kamila Stösslová, daß er Hauk/Janácek mit der Zwangsjacke abholen lässt.

Ein lohnender Abend, und allemal einen zweiten Besuch wert, allein schon um zu sehen, wie Rita Kapfhammer als zweite Besetzung die Emilia gestaltet. Das Premierenpublikum dankte mit lang anhaltendem Beifall. KS