"MARTHA" - 22. Mai 2010

Mit dieser Wiederaufnahme einer Meisterinszenierung von LORIOT, der 1997 auch für Bühne und Kostüme sorgte, in das Opernrepertoire des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München kann man diesem sehr gut geführten Haus nur gratulieren. Die unvergeßlichen Ohrwürmer wie das "Lied der letzten Rose" und "Ach so fromm, ach so traut", ließen wieder einmal das Herz aufgehen. Dazu waren Loriots Witz und Spürsinn fürs Komische an allen Ecken und Enden zu spüren, er gestaltete sogar die Handlungsschilderung im Programmheft auf seine Weise. Loriot inszenierte libretto-gerecht, verlegte die Handlung dahin, wo sie hingehörte - nämlich ins viktorianische England und ließ Queen Viktoria durch die ganze Oper geistern und stellte sogar noch einen sächsischen Tondichter (Willi BRUMMER in der stummen Rolle des Richard Wagner) als Besucher eines Porter-Biergartens des alten England auf die Bühne.

Mit der englischen Nationalhymne und dem übergroßen Portrait der Königin am Ende der Oper schloß dieses amüsante Werk, das schon während der Ouvertüre durch einen Hornisten aus dem Orchester (Hornsolo Johannes KALTENBRUNNER) vor dem Vorhang das kommende humoristisch interpretierte Handlungsgeschehen aufzeigte. Als Dirigent des ORCHESTERS DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ stellte sich Jörn Hinnerk ANDRESEN mit einer sehr guten Abendleistung vor, zumal ihm auch ein spielfreudiges Ensemble mit ausgezeichnetem Sängermaterial zur Verfügung stand.

Das Freundinnen-Paar Lady Harriet nebst Kammerzofe Nancy, deren männerlose Freundschaft das langweilige Landleben erträglicher machen sollte, wurde von Sandra MOON mit den ihr eigenen lupenreinen piani-Sopran-Höhen und Rita KAPFHAMMER mit ausdrucksstarker Mezzo-Tiefe in bester Spielfreudigkeit auf die Bühne gebracht. Lord Tristan Mickleford (ihm zu Ehren erklang im 1. Bild das Tristan-Motiv) wurde von Martin HAUSBERG sehr gut karikiert.

Harrie VAN DER PLAS mit sehr guten Tenorhöhen (besonders eindrucksvoll gesungen "Ach so fromm, ach so traut") und Holger OHLMANN als Plumkett (seine hohe Baßlage ließ das Lied vom Porterbier ausreichend gesungen erscheinen) waren aus dem Ensemble sehr gut ausgewählt. Sebastian CAMPIONE als der Richter von Richmond nebst Christian SCHWABE als Diener des Lords waren rollengerecht besetzt.

Auch alle weiteren Figuren wie die Mägde Ute WALTHER, Marina USHCHAPVSKAYA, Iris BAUMHOP und die Pächter Oliver WEIßMANN und Markus HEISSIG waren gut gewählt, während vor allen Dingen die stummen Rollen wie Konny HOFF als Bobby, Sieglinde ZÖRNER als Lebedame (so jemand darf natürlich auf einem Markt nicht fehlen) und besonders Uli NILLIUS als Kellner einen bleibenden Eindruck hinterließen. Eine Familie mit allen angenehmen und unangenehmen Vorkommnissen bei gemeinsamen Ausflügen gerade zu Märkten auf die Bühne zu bringen (Christine KIENDL-HÖRNER, Zoltan PAPP, Laura ARNDT und Tobias HADERSBECK) kann nur eine pfiffige Regie-Idee von Loriot sein.

Lady Harriet samt Kammerzofe Nancy bleiben weiterhin unter dem Schutze der Queen Freundinnen, während ihre dazugehörigen Lebenspartner nur Attrappen in diesem ländlichen Idyll sind. God save the queen. I.St.