"DAS FÜRSTENKIND" (konzertant) - 28. November 2010

Ulf SCHIRMER, GMD in Leipzig und zugleich Chefdirigent des MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTERs, setzt sich bekannterweise und erfolgreich für die Wiederbelebung des fast vergessenen Genres Operette ein, die er meist im Rahmen der Sonntagskonzerte des Bayerischen Rundfunks mit seinem Orchester zum Leben erweckt. Dieses Mal hatte er sich "Das Fürstenkind" von Puccini-Verehrer Franz Lehár ausgesucht, ein Werk, das musikalisch wertvoll und glänzend durchkomponiert und mit zündenden Melodien für die Sänger ausgestattet ist, und auch dem Orchester nebst seinen Instrumentalsolisten gute Solis bietet. Außerdem enthält es in den Sprechtexten (aufgefrischtes Libretto von Victor Léon) einige treffsichere Hinweise auf die heutige prekäre Lage in Politik und Wirtschaft in Griechenland (Dialogregie Ralf EGER).

Als Vorlage für das Fürstenkind diente Victor Léon der 1856 erschienene Roman von Edmond About "Le roi des montagnes" (Der König der Berge). Das Werk erzählt die Geschichte des Fürsten Parnes, der als Räuber Stavros, ehemaliger Kämpfer der griechischen Freiheitskriege (Pallikar) als eine Art Robin Hood der griechischen Bergwelt sich an Touristen und den Reichen bereichert, und das Geraubte weiter an die Armen des Landes gibt. Obwohl das Handlungsgeschehen aus dem 19. Jahrhundert stammt, trägt es doch sehr moderne Züge, da Stavros hier das Haupt einer griechischen Aktiengesellschaft verkörpert und sich auch wirkungsvoll den Praktiken eines solchen Unternehmens bedient.

Von diesem Doppelleben weiß seine Tochter Photini nichts, die als Prinzessin von Parnes in der griechischen Adelswelt Verehrung genießt, sich in Bill Harris, einem Kommandanten eines amerikanischen Stationsschiffes verliebt, der um Photini zur Frau zu bekommen, Stavros zur Strecke bringen will, was aber durch das Doppelleben des Fürsten nicht zum Ziel führte. Auch Stavros verliebt sich in eine reiche junge Engländerin namens Mary-Ann, wobei hier der Altersunterschied der beiden Liebenden nicht zu einem Happy End führt, wie in so vielen Operetten des Komponisten. Lediglich Photini und ihr Kapitän können sich am Ende vereinen, erstere weiß bis zum Ende nicht, wer ihr fürstlicher Vater eigentlich ist.

Die musikalische Seite des Werks birgt in sich zündende Melodien, vor allen Dingen das Auftrittslied des Stavros, das sog. Pallikarenlied "Lange Jahre, lange Jahre" zieht sich instrumental durch das ganze Werk, das auch für das Orchester zwei Paradestücke bietet, nämlich den "Räubermarsch" und das "Resignations-Intermezzo", letzteres deutet den Verzicht der beiden Liebenden Stavros und Mary-Ann an. Dazu enthält es auch für Instrumentalsolisten einige eindrucksvolle Soli für Violine, Violoncello und Klavier, wobei hier Henry RAUDALES, Bruno WEINMEISTER und Tomoko NISHILAWA ihr Können zeigen konnten. Ulf Schirmer dirigierte sein Orchester wie immer schwungvoll, wobei sein Temperament mit ihm so durchging, daß er sogar die Bauchbinde seines Fracks am Podium verlor. Manches Gesangsstück wurde durch das Orchester übertönt.

Die Sängerriege war gut gewählt und ließ durch die aktuellen Texte dazu den Abend als gelungen bezeichnen. Der helle Sopran von Chen REISS als Photini, das Fürstenkind, wies sehr gute piani auf, Mary MILLS als Mary-Ann zeigte sehr gute Bravourhöhen einer Sopranistin schon bei ihrem Auftrittslied, während eine Idealbesetzung für den Stavros Matthias KLINK darbot, Ausstrahlung für diese Rolle und stimmliche Bestform kündigte sich schon in seinem Pallikar-Auftrittslied an. Als Bill Harris war Ralf SIMON gut gewählt, aus dieser Tenorpartie ist leider nicht viel mehr herauszuholen.

Einige Rollen waren mit den gleichen Sängern besetzt, so daß noch Jörg SCHÖNER als Thomas Barle/Dr. Clérnay, Marko CILIC als Perikles/Phalatis, Mauro PETER als Koltzda/Tamburis/Spiro und Christian EBERL als Christodulos (mehr eine Sprechrolle) dazukamen, alle konnten sich sehr gut in die Riege der Hauptprotagonisten einfügen. Jörn Hinnerk ANDRESEN studierte den CHOR DES BAYERISCHEN RUNDFUNKs wie immer werkgerecht ein, so daß man eine gute Erinnerung an dieses 2. Sonntagskonzert des Bayerischen Rundfunks mit nach Hause nehmen konnte. Aber ob sich heute ein derartiges Werk auf einer Bühne halten könnte, mag bezweifelt werden. ISt