"DIE FLEDERMAUS" - 2. Dezember 2010

"Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" (Johann Wolfgang von Goethe - "Faust, der Tragödie Erster Teil") , so steht es auf der Rückseite des Deckblatts des Programmheftes zu dieser Fledermaus, die Johann Strauß 1874, ein Jahr nach dem sog. "schwarzen Freitag" mit Börsenkrach und Choleraepidemie in Wien, zur Auflockerung der damaligen Gemütssituation der dortigen Bevölkerung zur Uraufführung brachte. In Anlehnung dieser "teuflischen"Verhältnisse schickte Intendant Dr. Peters, der die Inszenierung übernommen hatte, Mephisto nebst einer Teufelin aus der Unterwelt nach Wien ins Palais des Prinzen Orlofsky, wo Mephisto diese Frau in den Prinzen Orlofsky verwandelte.

Mephisto inszenierte hier und führte als Lenker des Handlungsgeschehens seine Figuren, sich selbst bei jedem Akt in eine andere Rolle verwandelnd, durch das Stück. Im 3. Akt gab es auch keinen Gefängniswärter Frosch, eine Paraderolle für jeden Komödianten, sondern einen "teuflischen Frosch", der während seiner Verwandlung wiederum Goethes Faust zitierte. Von dieser äußerst merkwürdig ins Stück hineininterpretierten Figur dieses Höllenbewohners abgesehen, stellte Regisseur Dr. PETERS, ausgestattet mit belustigenden Regieeinfällen, das Stück in die Jahrhundertwende und inszenierte damit historisch werksgerecht. Das Bühnenbild von Herbert BUCHMILLER entführte uns mit den guten Kostümentwürfen von Götz Lanzelot FISCHER in diese Zeit.

Zu diesen humorigen guten Regieeinfällen gehört während des intensiven "Liebesduetts" Alfred/Rosalinde im 1. Akt eine im Kleid der Gnädigen klammheimlich sich aus dem Haus schleichende Adele und ein Dieb, der seelenruhig das Haus mit Diebesgut verlassen konnte. Dazu gehörten auch die Ehrengäste beim Ball des Orlofsky im 2. Akt, wie Jacques Offenbach, dem Komponisten von "Orpheus in der Unterwelt" (wohl in Anlehnung an die anwesende personifizierte Unterwelt) und der Meister selbst Johann Strauß, wobei man hier der Maske ein Riesenkompliment machen muß. Als durchdacht kann man auch den fortgeschrittenen Abend beim Prinzen bezeichnen, den sog. Champagnerakt, der in einem Bachanal mit halbbekleideten Damen und Herren der damaligen Halbwelt mit dem berühmten Can Can aus "Pariser Leben" von Jacques Offenbach endete.

Eine Pressemeldung des Staatstheaters am Gärtnerplatz teilte mit, daß diese ganze Halbweltgesellschaft am Ende des Stücks in der Hölle versinken sollte, was durch eine technische Panne leider nicht gezeigt werden konnte. Das Haus scheint wirklich nicht nur bei den wiederholten Technikpannen renovierungsbedürftig, es schließt deshalb ab der Saison 2012 für drei Jahre.

Johann Strauß beschwingte Musik wurde schwungvoll durch die temperamentvolle Stabführung von Andreas KOWALEWITZ interpretiert, der das ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ fest im Griff hatte. Für die Choreographie der Tanzeinlagen sorgte Fiona COPLEY, die neben dem schon erwähnten Can Can noch die "Furioso-Polka" des Komponisten und von Bruder Josef die "Ohne-Sorgen-Polka" durch gut einstudierte Tanzeinlagen amüsant zum Publikum brachte.

Eine sehr gute Studie des Gabriel von Eisenstein erbrachte Daniel FIOLKA, dessen fülliger Bariton endlich einen Eisenstein ohne Sprechgesang auf die Bühne brachte, Heike Susanne DAUM in der Rolle der Rosalinde war gut besetzt, ihr Czardas kam gut disponiert zum Publikum. Der hier als Gesangslehrer des Orolofsky fungierende Alfred wurde mit sehr guten Tenorhöhen von Robert SELLIER gesungen, dem man leider im 3. Akt zu wenige Bravourarien der Oper zu singen gab, die diese Rolle immer wieder zu einem Höhepunkt des Stücks werden lassen.

Dirk LOHR als Gefängnisdirektor Frank gab ebenfalls eine sehr gute Studie, während Franziska RABL mit kräftigen Mezzotönen als Orlofsky als eine Idealbesetzung dieser Rolle anzusehen ist. Der "Dr.Fledermaus" Torsten FRISCH machte sein Einspringen als Dr. Falke sehr gut, ebenso zeichnete Cornel FREY den Dr. Blind rollengerecht. Als Adele erlebte man Sibylla DUFFE, deren leichter Sopran die beiden wichtigen Arien dieser Partie "Mein Herr Marquis" und "Spiel ich die Unschuld vom Lande" ausreichend bewältigen konnte.

Ulrike DOSTAL als ihre Schwester Ida fügte sich bestens in das sehr gute Ensemble ein, während Thomas PETERS als der teuflische Geselle in seinen verschiedenen Figurenzeichnungen leider gerade als Gefängniswärter Frosch in bayerischer Sprache nicht so recht in die Gänge kam. Die in die Jetztzeit gelegten Texte von Karl Haffner, denen leider so manches aus dem Originallibretto von Richard Genée fehlte, entsprachen in vielem den heutigen Verhältnissen in Politik und Kultur (Frosch: mein Zahnarzt liebt die Kultur), speziell in Bayern.

Aber: Goethes "Faust" mit seinem Mephisto sollte man tunlichst aus einer "Fledermaus" verbannen, beide haben miteinander wenig gemein. ISt