"CARMEN" - 5. Februar 2011

Unter der außergewöhnlich temperamentvollen und eigenwilligen Stabführung des neuen GMD in Mannheim Dan ETTINGER, der sich zu einem "Carmen"-Spezialisten zu entwickeln scheint, erklang an diesem Abend George Bizets opéra comique mit dem Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy, das diese nach einer wahren Begebenheit des vorigen Jahrhunderts im Baskenland angelehnt verfaßt hatten, in musikalischer und sängerischer Hinsicht der Hauptprotagonisten in Höchstform.

In dieser Inszenierung von Lina WERTMÜLLER, die sich mit einiger Überarbeitung (Gott sei Dank) schon jahrelang auf der Bühne des Nationaltheaters München halten kann, sang ja auch der Startenor Jonas KAUFMANN den Don José, dessen Rollenauffassung gepaart mit baritonal-gefärbtem höhensicherem Tenor immer wieder zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Er setzt Kopf- und Pianitöne da ein, wo der Text sie verlangt, und die dadurch erst die Rolle so zum Leben erwecken, wie es sich der Komponist vorstellt.

Als Carmen erlebte man die Neuentdeckung aus Mailand Anita RACHVELISHVILI, die durch einen abgerundeten Mezzo und eine gute darstellerische Interpretation in ihren Alleinauftritten aus ihrer Rolle das Bestmögliche herausholen konnte. Sehr beeindruckend vernahm man die Todesahnung, wo die Künstlerin ihre stimmliche Ausdrucksfähigkeit beweisen konnte. In den gängigen Arien wie die Seguidilla und der Habanera im 1. Bild wirkte sie noch etwas blaß, konnte sich aber im Laufe des Abends sehr steigern. Leider fehlte in den Auftritten mit Jonas Kaufmann das kollegiale Einvernehmen, so daß die Liebesszenen zu einstudiert wirkten.

Eine Sternstunde fürs Publikum in jeder "Carmen"-Aufführung, in der sie die Micaela singt, bot wieder einmal Aga MIKOLAJ, diese Partie scheint ihr auf den Leib geschrieben. Das schüchterne Landmädchen des 1. Bildes im Duett mit Jonas Kaufmann konnte man hier kaum gefühl- und eindrucksvoller interpretieren, und sie konnte sich bis zu ihrer großen Arie im 3. Bild noch steigern. Kyle KETELSEN als Escamillo sang diese von Sängerkollegen oft gefürchtete Partie mit stimmlichen Besteinsatz, war aber in der Darstellung etwas zurückhaltend.

In den weiteren Rollen trat Steven HUMES als Zuniga gut in Erscheinung, auch waren bei den Damen Frasquita und Mercédes mit Eri NAKAMURA und Julia FAYLENBOGEN, und Dancairo und Remendado bei den Herren mit Dominik KÖNINGER und Kevin CONNERS sehr gut besetzt. Das Schmuggler-Quintett erklang harmonisch und stimmgerecht aufeinander abgestimmt. Die kleine Rolle des Sergeanten Moralès sang Nikolay BORCHEV ganz ordentlich, ebenso trat Manfred ULTSCH als Lillas Pastia rollengerecht auf.

CHOR und KINDERCHOR, sehr gut einstudiert von Sören ECKHOFF, brachten wie immer Farbe ins Werk.

Ein Abend, in dem man sich von der Inszenierung mit ansprechendem Bühnenbild und Kostümen - beides von Enrico JOB - immer wieder wohlfühlt. Kann es denn nicht immer so sein? ISt.