"DER UNTERGANG DES HAUSES USHER" - 30. März 2011

Alles beginnt mit einem Brief. Während man dem Text lauscht, sieht man William auf dem Weg zu seinem Freund aus Kindertagen, der ihn verzweifelt zu sich zitiert. Roderick und seine Zwillingsschwester Madeline sind die letzten Überlebenden der Familie Usher, beide offensichtlich krank, dem Tode geweiht. Für William beginnt der verzweifelte Versuch, den Freund zu retten, der ihn fast selbst das Leben kostet, oder in dieser Inszenierung es auch tut.

Die Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe entwirft ein vielschichtiges düsteres Seelenszenario, das Arthur Yorinks und der Komponist Philip Glass selbst für ihre Zwecke bearbeitet haben. Der Regisseur Charlos WAGNER kennt seinen Poe gut, seinen Glass auch, und zeigt eindrückliche Bilder und Figuren im beeindruckenden Bühnenbild von Rifail AJDARPASIC. Nebel liegt über der Szene als William endlich das Haus der Ushers erreicht. Vom Haus sieht man nur einen gewaltigen Knochenbogen, wie das Skelett eines ausgestorbenen Tieres. In dieses führen Treppenstufen, nur wo sie enden, das sieht man nicht. Roderick ist mit einer weiten schwarzen Hose gekleidet und einem durchbrochenen Oberteil, das in dunklem Kontrast zu Williams senfgelbem Mantel steht (Kostüme Ariane Isabell UNFRIED).

Sechs Tänzer, ebenfalls in weiten schwarzen Hosen, spiegeln die Situation. Nervöse Zuckungen, wie neurologische Störungen, zwischendurch ein Veitstanz springend und fallend, starre Blicke, archaischer Kopfschmuck machen die Szene noch enger, bedrohlicher, haben aber zugleich eine faszinierende Ästhetik.

Bedrohlicher wird es auch, als William überhaupt erst von Madeline erfährt, die er als Kind nicht kannte, oder als Roderick ihn fragt, warum er überhaupt da sei, wo sie sich doch kaum kannten, ein krasser Widerspruch zu den flehentlichen Bitten des Briefes. Zudem scheint Madeline, in weißem durchscheienenden Kleid, Fehlgeburten zu erleiden, an denen sie scheinbar stirbt. Doch nach der Grablegung ertönen weiter ihre Schreie. William ist mittlerweile tief ins Geschehen verstrickt. Auch er trägt nun schwarz und entwickelt ein nervöses Zucken. Am Ende versinken der unheilvolle Brief, und das gesamte Haus Usher mit allen Menschen darin in einem Malstrom.

Bedrückend ja, aber mehr noch gefangen nehmend ist diese Geschichte und die Sänger tragen das ihre dazu bei. Gregor DALAL als Willam zeigt anschaulich den graduellen Abstieg vom freundlichen selbstbewußten jungen Mann zum ums Überleben kämpfenden, und das mit gewohnt souveräner Stimme. Harrie VAN DER PLAS als Roderick mit gehetzten Bewegungen und dunklen Ringen um die Augen. Das die Stimme manchmal etwas spröde und angestrengt ist, paßt hier ja sogar. Ella TYRAN als Madeline spielt mit vollem Körpereinsatz und singt ihre Vokalisen eindrucksvoll. Hans KITTELMANN als Arzt und Sebsatian CAMPIONE als Diener ergänzen das sehr gute Ensemble.

Lukas BEIKIRCHER am Pult der kleinen Besetzung des ORCHESTERS DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ beweist, daß neunzig Minuten minimalistischer Musik mitnichten eintönig und langweilig sind, sondern voller Dynamik und Facettenreichtum. Leider verliert er dabei die Schärfe der Klänge, wird stellenweise lieblich, was im Gegensatz zum Geschehen auf der Bühne steht.

Trotzdem, ein Abend, der in den Bann schlägt, viel Platz für die Phantasie läßt und damit Raum für weitere Besuche der Auffühung. KS