"DIDONE ABBANDONATA" - 30. Mai 2011

In einem vorangegangenen Symposium, das die Johann-Adolph-Hasse-Gesellschaft anläßlich ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens veranstaltete, lernte man Leben und Werk dieses deutsch-italienischen Barock-Komponisten (1699-1783) kennen, der nahezu vergessen scheint. Seine Musik in Oper und Kammermusikwerken steht in keiner Weise den Kompositionen der großen Komponisten der damaligen Zeit nach wie u.a. Vivaldi und Scarlatti, deren Schüler er übrigens war. Fein herauskomponierte Kammerkantaten und Arien aus weiteren Opern kamen zu Gehör, und man kann nur hoffen, daß sich die Musikwelt weiter mit diesen musikalischen Raritäten beschäftigen mag.

Diesem Aufruf folgten am Abend auch die Bayerische Theaterakademie August Everding und die Hochschule für Musik und Theater München mit dem Studiengang Musik Gesang/ Studieneinrichtung Musiktheater, wo auch bereits im Engagement befindliche Sänger ihr Können zeigen konnten. Dieses dramma per musica (opera seria) in drei Akten (es erzählt die Liebesgeschichte von Dido und Äneas) mit dem Text von dem einstmals als Starlibrettist gelten-den Pietro Metastasio (Hasse und Metastasio waren zur damaligen Zeit ein Mozart/da Ponte-ähnliches Gespann) zeichnete mit seinen sehr gut herauskomponierten Arien die Gefühle der einzelnen Figuren auf, vor allen Dingen gerade die männlichen Figuren, die einstmals mit Kastraten besetzt waren, die man hier mit Countertenören besetzt hatte.

Herausragend hier Valer BARNA-SABADUS, der seine Rolle als Afrikaner Jarba (Konkurrent des Enea) sogar mit klangschönen höhensicheren Koloraturen darbieten konnte. In der Rolle des Italien-Gründers Enea war Flavio FERRI-BENEDETTI mit einer sehr guten Bühnenpräsenz stimmlich ausreichend besetzt, während die Kastratenrolle des verliebten Araspe zu Selene von einer überragend gut singenden und darstellerisch einwandfreien Sopranistin Maria CELENG besetzt war.

Magdalena HINTERDOBLER gestaltete und sang die Partie der Selene ausreichend, die Intri-gantenrolle des Osmida wurde ebenso gut gestaltet und gesungen von Andreas BURKHART, während die Titelpartie der Didone von Theresa HOLZHAUSER mit einem klangschön gefärbten Mezzo den Vogel abschoß. Frau Holzhauser dürfte mit ihrer Ausdrucksstärke und Bühnenpersönlichkeit manchen Intendanten aufhorchen lassen, sie alsbald ins italienische Mezzofach zu engagieren.

Durch den Abend führte die HOFKAPELLE MÜNCHEN unter der Stabführung ihres Leiters Michael HOFSTETTER, ein Orchester, das gerade für diese Erstaufführung der Hasse-Oper in München die historische Dresdner Orchesteraufstellung aus den 1740-Jahren gewählt hatte, da dieses Orchester bekanntermaßen mit historischen Instrumenten die Barock-Musik erst zum Originalklang bringt.

Allerdings muß wieder einmal die Inszenierung (Balázs KOVALIK) gerügt werden. Es ist zwar keine Schande in einer Art Wasserbetten-Bühne, in welcher Protagonisten sich zusammen mit Kisten und Säcken schleppenden Statisten bewegen, den Abend vielleicht auch aus mangelnden finanziellen Mitteln zu gestalten (Aufreißen der gefüllten Säcke und nebst Bewerfen des Bühnenbodens mit dem Inhalt sowie Zerschmettern von Glas mit Steinen gehörten offenbar dazu), aber das Bügeln von Kleidungsstücken sowie ein Radio auf der Bühne waren doch für das tragi-sche Handlungsgeschehen etwas lächerlich anzusehen. Oder hatte sich Csaba ANTAL (Bühne) zusammen mit Balázs Kowalik den Inszenierungsgedanken des 18. Jahrhunderts angeschlossen, dass Kostüme (hier in moderner Prägung von Angelika HÖCKNER) und Bühne dem Publikum der jeweiligen Zeitepoche angepaßt sind, wie bei der sehr interessanten Einführung zu erfahren. Aber - unbekannte Barockopern von fast vergessenen Komponisten komponiert sollte man doch in der Zeit der Komposition auf die Bühne bringen, damit man seinen nostalgischen Gedanken freien Lauf zu lassen kann. ISt.