"DER GEDULDIGE SOCRATES" - 30. Juni 2011

Der scheidende Intendant Dr. Peters hatte hier wieder eine glückliche Hand mit seinem Inszenierungsteam. Barockspezialist Axel KÖHLER, der nicht nur selbst als Altus in Barockopern Triumphe feiert und selbst darin als erfolgreicher Regisseur tätig ist (ab der Spielzeit 2011/2012 übernimmt er die künstlerische Gesamtdirektion der Oper in Halle) übernahm in diesem musikalischen Lustspiel von Georg Friedrich Telemann am Staatstheater am Gärtnerplatz in München auch hier die Regie, die sich als ein Glücksfall für das Haus erwies. Er stellte das Werk zeitgerecht auf die Bühne, statisch mit ein wenig Rampentheater, richtete sich ganz nach dem Original-Libretto von Johann Ulrich von König und ließ die Sänger ihre Hauptarien in italienischer Sprache interpretieren (Rezitative etc. erklangen in deutscher Sprache), so, wie es der Librettist wollte. Dadurch und nur so feiert eine Barockoper die verdiente Renaissance.

Dazu standen ihm auch zwei hervorragende Mitarbeiter in Bühnebild und Kostümen zur Seite, für ersteres zeigte sich Frank Philipp SCHLÖßMANN verantwortlich. Eine blauweiße Wolkenwand diente als verschiebbarer Bühnenvorhang und mit integrierter Bibliothek zugleich als Wohnstube des Philosophen Socrates, in der sich das "belustigende" Drama abspielte. Dazu die malerischen Kostüme von Katharina WEISSENBORN in zeitgerechter Barockmode, die sich dem Bühnenbild und der Regieauffassung harmonisch anpaßten.

Den Vogel des Abends schoß dazu noch zusätzlich die musikalische Leitung von Jörn Hinnerk ANDRESEN ab, der mit den Musikern des ORCHESTER DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ ein Barock-Orchester aus dem Boden stampfte, das Telemanns Komposition nicht besser interpretieren konnte, und welches das Publikum schon nach der Pause mit frenetischem Beifall feierte; gerade bei den Vor- und den Zwischenspielen war die gekonnte Interpretation einer barocken Musik besonders erkennbar. Telemann selbst war bekannt als fröhlicher und sanguinischer Mensch, der sich in seinen Opernkompositionen vorwiegend mit amüsanten Stoffen beschäftigte, so sind fünf seiner neun Opernwerke Lustspiele, der "geduldige Socrates" zählt zu seinen Frühwerken.

Nach Beschluß des Athener Senats muß ein Mann zwei Frauen heiraten, damit das Volk der Griechen nicht aussterben soll. Nicht nur Socrates mußte zwei streitbare Ehefrauen im Zaum halten, sondern auch dem Adeligen Melito waren zwei Frauen verfallen, der sich nicht entscheiden konnte, nur mit Hilfe des listigen Cupido und des aus der Unterwelt herbeigeeilten Gott der Schönheit Adonis kam alles in richtige Lot, zumal auch der Athener Senat seinen verwirrenden Erlaß zurücknahm.

Die Rolle des geduldigen Socrates war wieder einmal eine Glanzrolle für Stefan SEVENICH, dessen wohlklingender flexibler Baßbariton gerade für diese Barockoper zu den besten des Abends gehörte, von seiner immer beeindruckenden Gestaltungsfähigkeit ganz zu schweigen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen hier seine vergeblichen Streitschlichtungsversuche, die er bei seinen beiden Ehefrauen Xantippe und Amitta unternahm. Die Sopran-Partien der Xantippe (Heike Susanne DAUM) und Amitta (Thérèse WINCENT) sind schwierige Gesangsgestaltungspartien und könnten leicht zum Forcieren mit schrillen Tönen verführen, so daß man die Leistung der beiden Sopranistinnen als rollengerecht an diesem Abend bezeichnen kann.

Bei den Bewerberinnen um die Liebesgunst des Adelssohns Melito, Edronica (mit ausdrucksstarkem Sopran Ella TYRAN) und Rodisette (Stefanie KUNSCHKE mit sehr gut geführten schlanken weichem Sopran in ihren vielen Arien - hier kann man von einer Begabung gerade für Barockmusik sprechen) kann man von einer guten Besetzungswahl sprechen. Robert SELLIER als der begehrte Prinz sang wie immer mit seinem lyrischen Tenor rollengerecht eingesetzt.

Eine Entdeckung für das Haus dürfte der Contertenor von Yosemeh ADJEI als ewig liebender Antippo sein, der diese Partie ausdrucksbetont singend herüberbrachte. Den adeligen Vater des Melito Nicia gab Gregor DALA rollengerecht und imposant im Spiel. Bei den Schülern des Socrates (Stefan THOMAS, Bernhard APPICH und Oliver WEIßMANN) kann man von einer guten Besetzungswahl sprechen, die auch in ihrer komischen Gestaltung sehr viel Farbe ins Bühnengeschehen brachten. Hier konnte man als 4. im Bunde noch die Stimme und gute Gestaltungsfähigkeit von Mauro PETER kennenlernen, der in Barockopern zu Hause zu sein scheint.

Aus dem KINDERCHOR DES STAATSTHEATERS AM GÄRTNERPLATZ (Einstudierung Verena SARRÉ) lernte man den Sänger des Cupido kennen, Korbinian HEINTZE, der seine Amor-Rolle hervorragend meisterte. Deny MOGLYLYOV in der Tanzrolle des Adonis konnte nicht besser ausgewählt sein, Vera WÜRFL leistete hier eine sehr gute choreographische Mitarbeit. Die Choreinstudierung übernahm wieder einmal zusätzlich zum Dirigat Jörn Hinnerk Andresen werksgerecht. Zum Schluß konnte man noch die Werke der beiden stummen Rollen des Malers (Robert LUDEWIG) und des Bildhauers (Martin BAYER) bewundern, zur Belustigung des Publikums die weiblichen Akte der Rivalinnen Rodisette und Edronica.

Diese geglückte Telemann-Oper wird zu den Highlights der kommenden Saison 2011/2012 zählen, und mag auch in den verschiedenen Spielstätten des wegen Renovierung schließenden Hauses eine Heimat finden. I.St