"RIGOLETTO" -30. Dezember 2012

Wer kurz vorher eine traditionelle Inszenierung dieser Verdi-Oper an der Mailänder Scala erleben durfte, den befremdete anfangs diese Auffassung des Regisseurs Àrpád SCHILLING, der darin nur Wert auf Personenregie und Stimmen legte. Die Zuschauertribüne des ersten und letzten Aktes, besetzt mit Hofstaat auf Beobachtungsposten, sollte die Selbstzerstörung des Titelhelden miterleben. Mit einem Rollstuhl kam die einzige Bewegung auf die Bühne. Um diese Inszenierung ganz zu verstehen, sollte man vorher eine Einführung besuchen und eingehend das Abendprogramm studieren.

Es ist hier nicht erwiesen, ob Gilda nicht doch vor ihrer intimen Begegnung mit dem Duca von den Hofschranzen, die sie raubten, vergewaltigt wurde (Arie des Duca "Ella mi fu rapita"), Rigoletto aber ganz der verzweifelte Vater (ob er es leiblich ist, bleibt offen) sich in einen selbstzerstörenden Haß auf den Herzog begibt (Duett mit Gilda im 2. Ak), noch dazu hat er den Fluch des ebenfalls leidtragenden Monterone auf sich lasten. Sämtliche Charaktere konnten sich durch diese Regie-Auffassung voll gezeichnet sehen, Gesichtsmasken, nicht nur auf der Zuschauertribüne, verdeckten, so daß man sich voll auf die Stimmen und ihren Gesangsausdruck konzentrieren mußte. Die Kostüme (Márton ÀGH) waren in die Jetztzeit gesetzt, so daß Jeans und Pulli Verwendung finden konnten, ebenfalls wurde der anfänglich in weißem Abendanzug auftretende Herzog als armer Student und Besucher der Kneipe des Sparafucile in eine Strickweste gesteckt.

Ebenfalls neu und kein schlechter Einfall, Maddalena und Giovanna sowie Monterone und Sparafucile mit jeweils einem Gesangssolisten zu besetzen. Dazu hatte man die jeweils in beiden weiblichen Rollen ausgezeichnet agierende Mezzosopranistin Nadia KRASTEVA und den ebenfalls als Bestwahl erwiesenen Bassisten Dimitry IVASHCHENKO erkoren. Die kleineren Partien waren mit Tim KUYPERS als Marullo, Dean POWER als Borsa Matteo, Christian RIEGER als Conte di Ceprano, Goran JURIC als Usciere und Yulia SOKOLIK als Paggio sehr gut gewählt, die sich teilweise aus den Zuschauertribünen lösen mußten, um ihre Gesangsaufgabe zu erfüllen. Die Zuschauertribüne füllte teilweise ebenfalls neben der STATISTERIE der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER unter der Einstudierung von Stellario FAGONE, der sich wieder einmal durch eine hervorragende Abendleistung auszeichnete.

Bei den drei Hauptprotagonisten sang Patricia PETIBON die Gilda, sie konnte nicht in allen Gesangspassagen, zwar in sehr guter stimmlicher Abendform, überzeugen, da man das unschuldig Mädchenhafte vermißte, was bei "Caro nome" besonders zu bemerken war. Das Hauptmerkmal aber lag bei den beiden Gegenspielern, die mit zwei Sängern besetzt waren, die augenblicklich zu den besten Interpreten dieser Partien gehören, nämlich Franco VASSALLO in der Titelrolle und Joseph CALLEJA als Duca. Unglaublich die stimmliche Leistung beider, wobei Joseph Calleja durch ausgezeichnete, fein differenzierte Tenorhöhen und Stimmfärbungen glänzte, sowie die stimmliche Färbung und Darstellung von Franco Vassallo, der Verzweiflung gepaart mit väterlichem Starrsinn, Rache und Liebe zur vermeintlichen Tochter Gilda in einer baritonalen Bestleistung zeichnen konnte. In manchen Passagen kann er an den unvergessenen Piero Cappuccilli erinnern. An sein "La maledizione" am Schluß denkt man mit Gänsehaut.

Für das Dirigat konnte man keinen besseren Dirigenten gewinnen als Marco ARMILIATO, der das ORCHESTER DER BAYERISCHEN STAATSOPER zu einer hervorragenden Abendleistung brachte.

Ein Fest der Stimmen am Nationaltheater München. ISt