„ERENDIRA“ - 18. Januar 2003

Die Inszenierung beginnt mit einem Theaterzitat. Denn wie die Großmutter mit der gebeugten Erendira die Bühne betritt, gleichen sie Pozzo und Lucky in „Warten auf Godot“ bis aufs Haar. Und sofort sind die Verhältnisse klar. Die Großmutter in draller roter Korsage und vergangener Hurenpracht beherrscht ihre Enkelin im weißen Kleidchen total. Diese muß schuften bis zum Umfallen und trägt ein medizinisches Korsett und Kniestützen , um sich überhaupt aufrecht halten zu können.

Mascha PÖRZGEN inszeniert Violeta Dinescus Oper nach einer Novelle von Gabriel García Márquez in symbolträchtigen Bildern (Bühne und Kostüme: Cordelia MATTHES). Der eher steril weiß-graue Raum ist mit großen Spitzen gespickt, die aus Boden und Wänden in die Luft ragen, und jede Bewegung bestimmen und einschränken. Zunächst sind diese Spitzen zwar noch mit Blumen verziert, aber nachdem durch Erendiras Schuld das Haus der Großmutter abgebrannt ist, und ihr Leidensweg in die Prostitution beginnt, ist es auch damit vorbei.

Erst als die Großmutter bereits großen Reichtum in Form von vielen Lagen üppiger Kleidung angesammelt hat, taucht der ebenfalls in weiß gekleidete Jüngling Ulysses auf, durch dessen Liebe eine Rettung möglich scheint. Nach einem gescheiterten Versuch mit vergifteter Torte, die die Großmutter nur zu munteren Tänzen animiert , gelingt es Ulysses nach verbittertem Kampf, die Peinigerin zu töten. Erendira ist frei, aber am Ende der Aufführung hockt sie bloß auf dem Sessel in zögernder Lähmung, während der Text im Hintergrund von ihrem schnellen Lauf gegen den Wind berichtet. Kann Lucky sich befreien?

Zentrum der Aufführung ist Christina ASCHER als Großmutter. Mit ihrer vollen kehligen Stimme und großer Präsenz beherrscht sie die Szene, um die erst immerzu müde, dann immer mehr aufblühende, aber handlungsunfähige Erendira von Anja METZGER, die das kindliche der Figur glaubhaft darstellt.

Paul BRADY als Held Ulysses bleibt gegenüber den Damen sowohl stimmlich als auch in seiner Retterrolle etwas blaß und konsequenterweise am Ende erdrückt von der toten Großmutter am Boden liegen. Die Nebenrollen sind mit Solisten des Oldenburger Opernchors durchweg hervorragend besetzt. Hut ab vor Alwin KÖLBLINGER, Brian JOYCE, Toshihiko MATSUI, Anthony GARDNER, Marit RISNES und Ute BINIAß.

Eric SOLÉN dirigiert das siebzehnköpfige, sichtbar hinter der Bühne platzierte, solistisch geführte Orchester mit großer Präzision. Man kann sich der in Oldenburg lebenden Komponistin nur anschließen, die sehr angetan war von dieser Produktion. Kerstin Schröder