“PERELÀ, UOMO DI FUMO” - DIE MACHER

Pascal DUSAPIN wurde 1955 in Nancy geboren. Er studierte an der Sorbonne zuerst Kunst- und Wisssenschafts-Geschichte. Man kann ihn als Autodidakt bezeichnen, denn außer den Seminaren von Iannis Xenakis, denen er 1974-1978 folgte, hat er keine „formelle“ Ausbildung genossen. Zwischen 1981 und 1983 war er Stipendiat an der Villa Medicis in Rom. Während der Saison 1993/94 war er „Compositeur en résidence“ an der Oper Lyon. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, u. a. den Grand Prix für Musik des Französischen Kulturministeriums und 2002 die „Victoires de la Musique“.

Seine künstlerischen Referenzen sind in seiner weiten literarischen Kultur zu suchen (er spricht u.a. vier Sprachen). Er hat nie einen gewissen Lyrismus verneint. Seine ersten musikalischen Einflüsse, wie Varese, Xenakis oder Donatoni, sind von der fast klassischen Strenge des formellen Aufbaus und intimistischen Impulsen überholt worden. Sein Werksverzeichnis (über 70 Werke) ist sehr reichhaltig und enthält bereits vier Opern: „Roméo & Juliette“ (1989, französisch), „Medeamaterial“ (1992, deutsch, Text von Heiner Müller), „To be sung“ (1994, englisch, nach einem Text von Gertrud Stein), „Perelà, uomo di fumo“ (2002, italienisch, nach dem Roman „Il codice di Perelà“ von Aldo Palazzeschi, am 24. 3. 2003 an der Bastille Oper uraufgeführt), zwei Oratorien („Niobé“, 1984, „La Melancholia“, 1992), mehrere Streichquartette, sowie zahlreiche Werke für großes Orchester („Assaï“, 1985, „Haro“, 1986, „4 Solos pour Orchestre“, 1992-1998).

Für den von Laurence Equilbey geleiteten Chœur Accentus hat er 1997-98 drei a capella Chöre geschrieben: „Granum Sinapis“, „Umbra Mortis“ und „Donna Eis“. Sein erstes Klavierkonzert wurde 2002 von Ian Pace und dem Orchestre de Paris unter Christoph Eschenbach in Bonn uraufgeführt. Dusapin hat sich in den letzten 20 Jahren als einer der wichtigsten Komponisten der neuen Generation profiliert.

Aldo PALAZZESCHI (eigentlicher Name Aldo Giurlani) wurde 1885 in Florenz in einer reichen alten jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Er studierte am Istituto tecnico, aber besuchte gleichzeitig eine Schauspielschule und Vorlesungen über Theater. Er gab bald seine technische und kommerzielle Tätigkeit auf und begann sich ausschließlich dem Theater (er spielte sogar kleine Rollen) und der Literatur zu widmen. Seine zwei ersten Gedichtbände „Cavalli bianchi“ und „Lanterna“, die als Gegensatz zum großsprecherischen Pomp d’Annunzios gedacht sind, veröffentlichte er auf eigene Kosten mit 20. Er lernte Marinetti kennen und kam mit den Futuristen (den französischen Surrealisten sehr ähnlich) in Kontakt. Die Futuristen waren gegen die bürgerliche Moral, jegliche Tradition und priesen die Subversion, die sexuelle Freiheit, aber auch die Aggressivität und den Krieg. Als lebenslanger Pazifist schloß Palazzeschi jedoch die zwei letzteren Ideen aus.

Das groteske Gedicht „L’Incendiario“ ist das Resultat dieser Bekanntschaften und vor allem der Roman „Il Codice di Perelà“, der, in vier Monaten geschrieben, 1911 erschien. Die tragisch-komische Seite der Existenz und ein „grauer Humor“ charakterisieren diese Werke. „Il Codice“ macht ihn über Nacht berühmt.

Er nähert sich dem Kreis der „Giubbe rosse“, einem florentinischen Literatencafé, wo Papini, Savinio, de Chirico, Viviani und Marinetti ein und aus gingen und beteiligt sich an der futuristischen Zeitschrift „Lacerba“. Bei einem längeren Besuch in Paris, lernt er dank des Malers de Pisis die Surrealisten um André Breton kennen. Das futuristische Manifest „Il Controdolore“ (1913) und eine Sammlung bereits neorealistischer Novellen „Petits tableaux parisiens“ stammen aus der Pariser Zeit. Er bricht völlig mit Marinetti und dem Futurismus wegen deren kriegshetzerischen Ausbrüche.

Obwohl militanter Pazifist, wird er 1916 zum Wehrdienst eingezogen, kommt aber nicht an die Front und bleibt als Telegrafist in Italien. Er beginnt neo-realistische Romane und Novellen zu verfassen, von denen „Le Sorelle Materassi“ (1936) der bedeutendste ist. Sein Roman „I Fratelli Cuccoli“ erhält den berühmten „Prezio Viareggio“. Er zieht während des 2. Weltkriegs nach Rom, wo er bis an sein Lebensende bleibt. „Tre imperi mancati“, ein burleskes Pamphlet gegen den Faschismus und den Krieg erscheint mitten im Krieg (1943). Er wird nach dem 2. Weltkrieg auch Herausgeber der literarischen Seiten des „Corriere della sera“, eine Beschäftigung, die er bis an sein Lebensende ausübte. Zahlreiche Preise folgten und er wird in die Accademia dei Lincei gewählt.

Am Ende seines Lebens trat er zum Katholizismus über. Mit fast 80 kehrt er zu seinen phantastischen Ursprüngen zurück. Ein Roman, ein venezianisches Divertimento, „Il Doge“, ist eine allegorische Fabel. Seinen letzten Gedichtband „Cuor mio“ und den Roman „Stefanino“ veröffentlicht er noch 1968. Er starb mit 89 im total leeren Rom (wegen feragosta!) am 15. August 1974, voller Pläne, mit zahlreichen unvollendeten Manuskripten im Schreibtisch. Selbst ein Einzelgänger, hat Palazzeschi fast 70 Jahre lang die italienische Literaturszene beeinflußt. Dieser Dichter, der zahllose Strömungen miterlebt hatte und gefolgt ist, ist nicht einstufbar. Viele Bewunderer in Italien und im Ausland untersuchen und erforschen die geheimnisvollen Seiten des „Codice“ und des „Doge“. wig.