"LA CLEMENZA DI TITO" - 2. Oktober 2006

Die Wiederaufnahme von Mozarts letzter opera seria brachte zwei der größten Sängerinnen unserer Zeit in einem gesanglichen und dramatischen Feuerwerk zusammen auf die Bühne. Es wurde eine Sternstunde des Gesangs. Die Sensation des Abends waren der erschütternde Sesto von Elina GARANCA und die dramatische Vitellia von Anna Caterina ANTONACCI. Für Antonacci ist Vitellia ein weiterer Schritt zur dominierenden Tragödin. Ihre prachtvolle dramatische Stimme ist in allen Lagen ausgeglichen. Vor allem im 1. Akt war sie absolut umwerfend und dominierend. Im 2. Akt hatte man jedoch das Gefühl, daß die nicht sehr glaubwürdige "Reue" der Vitellia ihr nicht zusagt. Das sublime, vom Bassetthorn begleitete, Rondo des 2. Akts "Non piu di fiori" ist auch wenig glaubhaft für eine dramatische Sängerin. Der Bruch scheint sich bei Antonacci am Ende des 1. Akts mit "O giorno di dolor" abzuspielen. Elina Garanca überzeugte durch eine stimmliche Meisterleistung und die Subtilität der Phrasierung. Ihre Darstellung des zaudernden Königsmörders ist umwerfend, erschütternd. Superlative reichen nicht aus. Als gertenschlanker Jüngling ist ihre Darstellung völlig glaubhaft. Diese tragische, psychologisch komplexe Rolle ist ihr auf den Leib geschrieben.

Die restliche Besetzung war dieselbe wie von anderthalb Jahren. Die beiden Frauen rissen die anderen Sänger mit. Besonders Christian PREGARDIEN, der unsichere, zaudernde Kaiser Titus, zu Beginn hörbar belegt, fand einen viel ausgeprägteren Ausdruck. In "Se all'impero, amici Die" sang er mit Schwung und Feuer für diese große Arie, die mit "D'una fede non mi cura, che sia frutto dei timor" schließt, was die Aufklärungs-Philosophie des ganzen Werkes zusammenfaßt. Hannah Esther MINUTLLLO als Annio überbot sich vor allem in den Szenen mit ihrem Freund Sesto. Leider hat sie eine idiotische rote Perücke auf. Ekaterina SYURINA als Servilia war wieder entzückend mädchenhaft und zeigte sich sehr überrascht, plötzlich von Titus zur Gattin gewählt zu werden. Roland BRACHT war ein treuer, Respekt erheischender Publius und sang seine Arie bestens.

Diesmal stand Gustav KUHN am Pult. Bereits die Ouvertüre war sehr bewegt, ausgefeilt und präzise. Das ORCHESTER genoß sichtlich das sehr flüssige Dirigat und spielte mit Begeisterung und Liebe. Kuhn scheint auch die endlos langen Rezitative (von Süßmeyer, weil Mozart keine Zeit hatte, da er die Oper in drei Wochen schrieb) auf vernünftige Längen gekürzt zu haben, denn die Vorstellung dauerte (mit Pause) nur drei Stunden. Was doch ein anderer Dirigent bei einer Wiederaufnahme ausmacht!

In der schäbigen, nun 27 Jahre alten Inszenierung aus Brüssel des Ehepaars HERMANN wurde scheinbar die Beleuchtung leicht verändert. Der übliche Eingang zu einem Hallenbad mit meergrüner Plexiglas-Täfelung reflektiert nun nicht nur mehr das Gold des Palais Garnier, sondern alle Versatzstücke, Thron, Stühle etc. Zu allem Überfluß sind auch die Reflexionen der Soffitten (mehrere, farbige Leuchtröhren) auf beiden Seiten zu sehen. Bravo und Schwamm drüber!

Bis auf die kalamitöse Inszenierung war es ein herrlicher Abend und eine musikalische Sternstunde. wig.