Berlioz'
große mythologische Oper "Les Troyens" ist wohl eines der schwierigsten
Werke der Opernliteratur. Oft fälschlich mit Wagners "Ring" verglichen
(nur weil es lang ist?), basiert Berlioz auf der "Äneis", von Vergil als
patriotisches Epos auf die Größe Roms und Caesar Augustus' geschrieben.
Daß Berlioz' Adaptierung und Vertonung dieses "politisch korrekten" und
etwas pompösen Texts gerade mit dem Höhepunkt der Regierung Napoleons
III. zusammenfällt, ist vielen Beobachtern nicht entgangen.
Auch
nicht dem Regisseur Herbert WERNICKE, der den 2. Teil ("Les Troyens à
Carthage") in einen etwas protzigen Dekor eben der Zeit Napoleons III.
versetzt hat, mit Champagner-Empfang mit Ordensverleihung in Frack und
großen Abend-Toiletten. Seine Salzburger Produktion von 2000 wurde nun
in Paris zum Gedenken an den vor zwei Jahren verstorbenen Regisseur und
Dekorateur von seinen Assistenten wieder aufgebaut. Der Einheitsdekor
besteht aus einem riesigen weißen Halbrund mit einem engen Eingang in
der Mitte und ist recht eindrucksvoll. Hinter dieser Aussparung sieht
man verschiedene Versatzstücke vorbei ziehen, u.a. das enorme hölzerne
Trojanische Pferd, eine riesige Didonskulptur am Schluß, aber auch einen
recht kitschigen Sternenhimmel für "Nuit d'ivresse".
Der
Boden davor ist etwas schräg, und die Sänger stelzen bisweilen vorsichtig
herum. Anscheinend war das gewollt, um die unsichere Situation aller Protagonisten
anzudeuten. Jedenfalls ist die Übertragung in eine utopische Jetztzeit
nicht sonderlich geglückt. Die Trojaner sind ganz schwarz mit roten Handschuhen
gekleidet und mit Kalachnikovs bewaffnet. Die Karthager tragen dafür blaue
Handschuhe statt roten. Sie unterscheiden sich von den Griechen im Camouflage-battledress
mit amerikanische Maschinenpistolen. Ein bißchen einfach!
Musikalisch
war die Aufführung ganz gut, aber nicht umwerfend. Die tragende Figur
war natürlich Deborah POLASKI in der Doppelrolle der Cassandra und Didon.
Sehr eindrucksvoll ist, wie sehr diese große Sängerin den musikalischen
Stil und die französische klassische Tragödie aufgenommen und verstanden
hat und wie ausgefeilt Polaski die schwierige Stimmführung Berlioz' beherrscht.
Ihre Phrasierung ist perfekt und ihre Aussprache sehr gut. Von ihrem Enée,
Jon VILLARS, kann man das leider nicht behaupten. Er hat zwar enormes
Material, aber absolut keine Gesangskultur. Von den Subtilitäten des französischen
Kunstgesangs hat er keinen blassen Dunst. Er "röhrt" alles fortissimo,
vor allem in den Höhen, wenn er nicht falsettiert (im Liebesduett"Nuit
d'ivresse", dem Höhepunkt des Carthago-Aktes). So sangen vor 40 Jahren
Beirer, Aldenhoff, Chauvet und manchmal del Monaco. Zum Glück hat er die
großen Intervallsprünge gestrichen. Eine Zumutung!
Die
kleineren Rollen waren durchweg gut bis ausgezeichnet besetzt. Franck
FERRARI, meist in Bösewichter-Rollen besetzt, sang einen subtilen Chorèbe
und war im Duett mit Cassandre von perfekter Dezenz. Sein "Reviens a toi"
an Cassandre war von berückender Intensität. Im Karthago-Akt stach Elena
ZAREMBA als kuppelnde Schwester Anna mit ihrem gut geführten Mezzo hervor.
Kwangchul YOUN, auf salbungsvolle Baß-Rollen abonniert, war ein perfekter
Minister Narbal, der mit profundem Baß immer nur Unheil ankündigt.
Bernard
RICHTER war ein schön singender Poet Hylas. Gaelle LE ROI, mit Pfeil und
Bogen, war ein eifriger und hübsch singender Ascagne. Nicolas TESTÉ sang
in beiden Teilen sehr eindrucksvoll den Panthée, Frédéric FORCADE den
unheilbringenden Schatten Hectors. In kleineren Rollen waren Nikolai DIDENKO
(Priam/trojanischer Kapitän), Frédéric CATON (griechischer und trojanischer
Kapitän), Anne SALVAN (Hecube/Fantome der Cassandre) rollendeckend. Dorte
LUSSEWSKI gab der stummen Rolle der Andromache würdige Trauer mit Söhnchen
Polyxenes (Carol NOIZET).
Wenig
überzeugend war wieder das Dirigat von Sylvain CAMBRELING, der zwar in
den Märschen und Kriegsszenen die nötige "Stimmung" brachte, die lyrischen
Stellen jedoch völlig verschlief. Selbst die "Chasse Royale" in Carthago-Akt
war unaufregend. Einzig die Streichung der Ballette war ein Segen. Selbst
der von Peter BURIAN einstudierte CHOR war bisweilen nicht im Takt! Für
die verbreitete Langeweile wurde Cambreling auch mit Buh-Rufen beim Schlußvorhang
begrüßt, während Polaski einen Triumph feierte, und die meisten Sänger
großen Applaus erhielten. wig.
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