"HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN" - 13. Februar 2007

Bisweilen höre ich mir eine Oper des "großen Repertoires", wie die zehn Kassenschlager etwas abfällig genannt werden, nach vielen Jahren wieder an und bin immer wieder von der Qualität der Musik und der dramatischen Handlung überrascht. Das stimmt natürlich besonders für Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen". Obwohl gerade mit der Dramatik - besonders im Giuliettta-Akt - ja einiges schief liegt. Die etwas chaotische Geschichte der Entstehung des "Hoffmann" ist daran Schuld und natürlich der verfrühten Tod Offenbachs. Allerdings machen ausgezeichnete Künstler und ein erstklassiger Dirigent diese Schwächen wett. Und das war in dieser Aufführungsserie der Fall.

Die Inszenierung von Robert CARSEN aus dem Jahre 2000 mit den Bühnenbildern und Kostümen von Michael LEVINE stellt eine "Bühne auf der Bühne" dar, die sich in der ganzen Inszenierung wider spiegelt. Diese Idee beruht auf einer Novelle von E. T. A. Hoffmann: er übernachtete einmal in einem Hotel, wo eine Tapetentür direkt in eine Loge eines Theaters führte. Bereits im Vorspiel fährt die Szenerie von "Don Giovanni" quer über die Bühne, die dann verkehrt als Rahmen für den Olympia-Akt dient. Die riesige Bühne der Bastille-Oper wird dann von einer etwa 30 m langen Bar in Luthers Keller abgeriegelt. Der Antonia-Akt zeigt die Bühne eines Opernhauses und eine Orchestergraben, wo Dr. Miracle als Dirigent fungiert, der Antonia zum Singen anheizt. Der Giulietta-Akt spielt vor dem Zuschauerraum der Opéra Garnier, wo die Sitzreihen zur Barcarole im Takt hin und her schunkeln, während die Handlung sich davor auf einen 1 1/2 m breiten Streifen Bühne abspielt.

Der Höhepunkt des Abends war natürlich der Auftritt von Rolando VILLAZON als Hoffmann, denn der mexikanische Tenor ist heute wohl der unbestrittene Fixstern am Tenorhimmel. Man hat das Gefühl, daß sich Villazon mit der Rolle spielt. Sämtliche Schwierigkeiten sind eine Kleinigkeit, er spielt blendend und singt einfach himmlisch, mit seiner schmelzenden, geschmeidigen Stimme, alles mit entwaffnender Einfachheit. Trotz seiner dominierenden Bühnenpräsenz, spielt er nicht den Star, sondern er fügt sich perfekt in das Ensemble ein und nimmt sichtlich auf alle Sänger Rücksicht. Daß sein Französisch ausgezeichnet ist, mit perfekter Diktion, so daß man jedes Wort versteht, ist natürlich ein Plus-Punkt mehr.

Für die sehr temperamentvolle Patricia PETIBON ist die Rolle des Automaten Olympia ein Frust. Sie macht dies durch nicht immer geschmackvolle Mätzchen wett. So wird der arme Hoffmann am Ende ihres Auftritts von ihr fast vergewaltigt. Annette DASCH als Antonia singt einfach vollendet mit herrlich geführter Stimme "C'est une chanson d'amour" und vermittelt mit innigem Spiel die Enttäuschung der verhinderten Sängerin. Als Giulietta verlieh Nancy Fabiola HERRERA mit ihrem warmen, ausnehmend dunklen Timbre der Barcarole besondere Sinnlichkeit.

In den diabolischen Rollen bot Frank FERRARI, der auf Bösewichte abonniert zu sein scheint, mit seinem prachtvollen, dunklen Baßbariton eine ideale Verkörperung. Er verdiente, daß die große Arie "Brille diamant" sehr applaudiert wurde. Christoph HAMBURGER spielte die vier Tenor-Buffo-Rollen blendend. Für seine Arie als Frantz erntete er großen Applaus. Ekaterina GUBANOVA war eine passende Muse und sang auch sehr passend Hoffmanns Freund Niklausse mit angenehmer Mezzo-Stimme. Leider versteht man nur wenig, denn ihre französische Aussprache läßt zu wünschen übrig. Für eine Hosenrolle ist sie allerdings etwas zu rundlich.

Alain VERNHES lieh den wichtigen Rollen des Luther und Antonias Vater Crespel seine starke Bühnenpräsenz. Die kleineren Rollen waren passend besetzt. Marie Paule DOTTI als Antonias Mutter, Jason BRIDGE als Nathanaël, Christian JEAN als nervöser Spalanzani, Sergei STILMACHENKO (Hermann) und Yuri KISSIN (Schlehmihl).

Marc PIOLLET, der neue GMD in Wiesbaden, waltete mit großer Umsicht seines Amtes am Dirigentenpult und arbeitete die Details, besonders die Holzbläser, liebevoll heraus. Das ORCHESTRE DE L'OPÉRA DE PARIS war selten so klar und durchsichtig zu hören. Der CHOR DER PARISER OPER war wie gewohnt von Peter BURIAN bestens vorbereitet worden und spielte aktiv auf der Bühne mit.

Eine wunderbare Vorstellung, das Haus tobte! wig.