"BÉATRICE ET BÉNÉDICT" - 26. Februar 2010

"Béatrice et Bénédict" wurde am 9. August 1862 zur Eröffnung des Opernhauses in Baden-Baden uraufgeführt. Diese Opéra-comique in zwei Akten ist Hector Berlioz' letzte Oper. Der Komponist hat selbst das Libretto nach Shakespeares "Much Ado About Nothing" verfaßt, das aus viel gesprochenem Text besteht. Mehrere Sänger haben nur kurze Passagen zu singen, und es gibt sogar zwei Sprechrollen. Einzig die Damen Héro, Béatrice und Ursule, sowie Bénédict, der Tenor, haben wirkliche Rollen.

Die Handlung spielt im mittelalterlichen Messina. Nach der Rückkehr von Claudio, Bénédict und General Don Pedro von einer gewonnenen Schlacht gegen die Mauren werden die drei von Leonato, dem Gouverneur von Messina, als Helden empfangen. Der Hochzeit Claudios und Héros steht nichts mehr im Wege. Héros Cousine Béatrice und Bénédict leiden jedoch an "Matrimoniophobie". Doch die Freunde und Verwandtschaft wollen die beiden verkuppeln, indem sie das Gerücht verbreiten, daß die beiden Dickköpfe in einander verliebt seien. Béatrice geht schließlich in die Falle, die ihr Héro und Ursule gestellt haben, ebenso wie Bénédict in die von Claudio, General Don Pedro und Leonato gestellte. Doppeltes Happy end!

Für die Aufführung haben Dan Jemmett und Bob Goody das verkappte Libretto adaptiert und die Schwächen des Textes etwas behoben, indem sie die Handlung in ein sizilianisches "Puppi" Marionetten-Theater transponiert haben, die auch solche Helden-Geschichten spielen. [Solche winzige "Puppi"-Theater (maximal 50 Plätze) gibt es in allen größeren Stadt Siziliens - in Palermo gibt es mindestens vier davon, aber auch in Catania, Messina, Syracusa, Monreale.] Bob GOODY ist auch der Marionettist Alberto, der Texte verschiedener Personen (auf englisch, französisch übertitelt) aus einer alten Shakespeare Ausgabe vorträgt und sozusagen als Zeremonienmeister und Erzähler die Handlung leitet. Während der Arien bessert er beschädigte Puppi aus...

Die Inszenierung von Dan JEMMETT ist deshalb sehr stilisiert. Wie sizilianischen Puppi sind alle Personen grell geschminkt, haben maskenhafte, glänzende Gesichter und bewegen sich ruckhaft wie Marionetten und sitzen mit gesenktem Kopf herum, wenn sie untätig sind (Kostüme Sylvie MARTIN-HYSZKA). Alberto klopft mit einer Rute auf den Boden als Zeichen, daß sie sich beleben sollen. Das Einheits-Bühnenbild von Dick BIRD ist eine Reproduktion einer Puppi-Bühne, wo riesige Köpfe eines Ritters und einer Edeldame im Hintergrund schräg herein gucken, einem eben so riesigen Schwert in der Mitte der Bühne, das als Bank dient.

Im 2. Akt stehen die beiden Büsten Ritter und Edeldame aufrecht und reichen bis zum Schnürboden, sowie ein paar große Ritterfäuste mit Schwertern an beiden Seiten. Verschiedenen Ansichten rollen im Hintergrund auf- oder ab. Ein ca. 2 x 2 Meter grosses Puppi-Theater kommt einmal von Schnürboden herunter, auf dem die männlichen Intriganten statisch ihre Texte spielen, das zweite Mal bleibt es (absichtlich) auf halber Höhe hängen, worauf Alberto ein kleines, halb so großes Theaterchen herein rollt, wo u. a. Béatrice und Bénédict (aber nur die Köpfe der Sänger) sich keilen. Für die ausgezeichnete Beleuchtung hatte Arnaud JUNG gezeichnet.

Musikalisch war die Aufführung auf gutem Niveau. Emmanuel KRIVINE dirigierte das von ihm gegründete, auf Originalinstrumenten spielende, luxemburgische Kammerorchester "LA CHAMBRE PHILHARMONIQUE". Es spielte in den elegischen Szenen sehr stilgerecht. wo Krivine die Berlioz'sche Melodien gut entfalten konnte. In den flotten Szenen fehlte es ihm etwas an dem Schwung, den Berlioz' Musik braucht. Der ausgezeichnete Kammerchor "LES ELEMENTS", von seinem Chef Joël SUHUBIETTE bestens einstudiert, sang mit sichtlicher und hörbarer Begeisterung das Hofpersonaal des Gouverneurs von Messina und beteiligte sich auch an den Umbauten, z. B. den Aufbau der Hochzeitstafel. Die Sänger bestritten auch die verschiedenen höfischen Tänze (Choreographie Cécile BON).

Die größtenteils britischen Sänger waren alle hervorragend und in ihrer französischen Diktion beispielhaft, vermutlich auch der ausgezeichneten Studienleiterin der Opéra-comique Nathalie STEINBERG zu danken. Einige der meist jungen Sänger hatten sich hier bereits im vergangenen Jahr bei Brittens "Albert Herring" hervorgetan. Vor allem die Stimme des Bénédict von Allan CLAYTON hat sich sehr positiv entwickelt. Sein gut geführter Tenor hat an Kraft gewonnen und er singt mit großen Ausdruck und Temperament. Seine große Arie "Ah, je vais l'aimer" war voll von Begeisterung und jugendlichem Feuer. Auch Ailish TYNAN als Héro war schon im Vorjahr zu hören. Sie besitzt einen jugendlich-dramatischen Sopran im Kommen. Gleich zu Beginn sang sie "Il me revient", und man kann sich bereits auf ihre Rezia oder Elisabeth freuen.

Eine temperamentvolle Béatrice, die gar nicht ans Heiraten denkt, war Christine RICE. Sie besitzt einen wunderbaren dunklen Mezzo. Die erste elegische Liebesarie im 2. Akt "Il me revient, le jour du départ" sang sie intensiv und innig, mit guter Führung der schwierigen Kantilene Berlioz'. Sie kann aber auch eine sehr mühsame Person sein, wie sie in dem drauf folgenden herrlichen, sehr durchkomponierten Terzett der drei Frauen zeigte, wo Élodie MÉCHAIN als Ursule ihren schönen warmen Alt beitrug.

Die weiteren Rollen sind alle musikalisch sekundär. Claudio hat noch etwas zu singen, was Edwin CROSSLEY-MERCER bestens tat. General Don Pedro beschränkt sich auf kleine Einwürfe, von Jérôme VARNIER ebenfalls passend gespielt. Sehr treffend war Michel TREMPONT mit 81 Jahren (!) als Somarone, der hier nicht nur stimmfest den Wein von Syracusa besang, sondern auch zum Chorleiter avancierte und den Chor vor der 1. Reihe im Parkett dirigierte. In der Sprechrolle des Gouverneurs von Syracusa, Leonato, war Giovanni CALÒ Seht leutselig. Bob Goody als Alberto, der Marionettist und Sprecher, wenn er nicht Puppi anmalte, trank Whiskey und bediente alle damit (aber immer daneben) und hatte alle Hände voll zu tun, mit einem Lappen das Verschüttete aufzuwischen. Der Bote war David LEFORT.

Ein sehr vergnüglicher und musikalisch erfreulicher Abend, begeistert vom Publikum aufgenommen. wig.