"ZORRO" - 4. Juni 2010

Auf Empfehlung habe ich einen meiner Parisabende dem sonnigen Kalifornien geopfert - es aber glücklicherweise nicht bereut. In der Karte ist außer der Show nämlich auch noch gute Laune mit inbegriffen…

"Zorro" basiert als Geschichte auf dem Roman Isabel Allendes, musikalisch größtenteils auf Musik der Gipsy Kings unter Mithilfe John Camerons. Um es kurz zu machen: Die Geschichte spielt im kleinen Pueblo Los Angeles und erzählt, wie aus Diego de la Vega, den sein Vater auf die Militärakademie von Madrid schickt, "el Zorro" wurde, und wie er, unterstützt von einer Zigeunertruppe unter Joaquín und Inés, seine Jugendliebe Luisa gewinnt, seinen tyrannischen Bruder Ramón stürzt und seinen Vater, Don Alejandro, wieder findet. Unter den Musikstücken finden sich einige, die jedem Hin-und-wieder-Radiohörer bekannt sein dürften, wie "Bamboleo", "Baíla me" und "Djoubi Djouba", alle untermalt mit fröhlichen und ausgelassenen Tanzszenen. "Typische" Musicallieder sind dabei deutlich in der Unterzahl.

Bunte Kostüme (Tim PIPER), Tänzer, die offensichtlich viel Spaß an der Sache haben, ein leicht ironischer Erzähler, sowie jede Menge Spezialeffekte, Kampfszenen (Terry KING) und Zaubertricks (Paul KIEVE) sorgen für eine insgesamt fröhliche Atmosphäre, die es schwer macht, die beiden tragischen Szenen des Stückes wirklich ernst zu nehmen. Überhaupt dominieren die Tanzszenen das ganze Stück, in dem es auffällig wenig Text gibt.

Das ist auch gut so, da von diesem bißchen Text ein wiederum auffällig großer Teil auf Spanisch ist - und während der Chor zwar zur Hälfte aus Spaniern besteht, beherrscht bedauerlicherweise kaum einer der Hauptfiguren die Sprache nur ansatzweise. Das Ergebnis sind einige leider völlig unverständliche Lied- und auch Textpassagen.

Die Musik bleibt dabei leider fast ein bißchen auf der Strecke. Eine wirklich tolle Leistung von CHOR und BAND (von Orchester kann bei Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug wohl keine Rede sein) unter der Leitung von Daniel GLET. Schön finde ich auch, daß sich bei der Zigeunertruppe immer ein Gitarrist auf der Bühne befindet (Antonio CORTES).

Laurent BÁN als Diego de la Vega alias Zorro bringt vor allem schauspielerisch eine sehr schöne Leistung auf die Bühne. Besonders wenn er vor Ramón den unfähigen Idioten spielt (hoffentlich sagt seine Begabung für diesen Part der Rolle nicht allzu viel über den Sänger aus). Gesanglich ist er gut, reißt mich aber nicht gerade vom Hocker.

Wesentlich überzeugender ist da schon Georges BELLER als Don Alejandro de la Vega und Joaquín, der Chef der Zigeunertruppe, der nebenbei auch noch als Erzähler funktioniert. Sein Schauspiel ist recht ironisch; mit ziemlich trockenem Tonfall serviert er uns seine sarkastischen Kommentare zur Handlung. Leider trennt er seine beiden Rollen nicht wirklich, und ich verstehe sowieso nicht, warum man diese beiden Rollen vom selben Sänger spielen lässt. Erklärung, Frau Casting-Direktorin (Ashley HAUSSMANN)? Über seinen Gesang fällt es mir schwer, detailliertere Aussagen zu machen, dazu fehlen die Solostellen, aber was ich gehört habe, klang ziemlich gut.

Mit Geraldine LARROSA als Inés, die zweite Anführerin der Zigeunertruppe, ist es ähnlich. Auch sie spielt ausgezeichnet, tanzt gut (so weit ich das beurteilen kann), hat aber eher wenig Gelegenheit auch noch ein sängerisches Talent unter Beweis zu stellen.

Da stellt sich eigentlich noch die Frage, warum sich Diego eigentlich für Liza PASTOR als Luisa entscheidet. Ihr Spiel ist völlig übertrieben; sie gestikuliert so stark, daß es einem Stummfilmschauspieler peinlich wäre. Daß sie eher ungeschickt tanzt, gehört wohl noch zur Rolle, daß sie noch ungeschickter singt, kann aber so auch nicht erklärt werden. Sie wechselt ihren Gesangsstil zwischen Opernimitat mit dazugehörigem Vibrato und versuchter Rockröhre. Zu diesem Stück paßt nur leider keins von beiden. Umso peinlicher, da sie ja das Objekt der Begierde zweier Personen sein soll.

Der zweite, Ramón, Diegos älterer Bruder, gespielt von Yan DUFFAS, ist dabei der Überzeugendere der Beiden. Und das nicht nur, weil er im Gegensatz zu Diego spanische Aussprache beherrscht. Ramón bezichtigt seinen Vater, ihm zeitlebens den jüngeren Bruder vorgezogen zu haben (tun das nicht eigentlich alle älteren Geschwister?) und nennt das als Grund für seinen Hass gegen seinen Vater und Diego. Und, so alt und oft durchgekaut diese Erklärung sein mag, so gelingt es ihm doch, sie noch mal glaubhaft erscheinen zu lassen. Duffas wechselt in Sekundenschnelle vom hartherzigen Tyrannen zum kleinen Jungen, der seinen Vater fast schon anfleht doch einmal Augen für seine Errungenschaften zu haben. Das Ganze kombiniert mit extrem emotionsgeladenem Gesang, ergibt den meiner Meinung nach besten Darsteller des Abends.

Bleibt noch Benoît de GAULEJAC als der unfähige Sergente García, der an diesem Abend für Comic Relief sorgt. Als solcher ist er auch absolut überzeugend, leider kommt er ohne ein Lied auch nicht davon. Und dabei fällt nur zu deutlich auf, dass Gaulejac eigentlich "nur" Schauspieler ist… Es sei ihm aber, als Quelle so vieler Lachanfälle, verziehen.

Die Inszenierung von Christopher RENSHAW setzt vor allem auf die erwähnten bunten Kostüme und Spezialeffekte. Als Bühnenhintergrund dient eine hohe Wand mit einigen Fenstern und Türen, stellenweise findet die Handlung auch vor dem geschlossenen Vorhang statt. Sonst begnügt man sich mit vergleichsweise spärlichen Andeutungen zum aktuellen Ort der Handlung. Das dabei gesparte Geld wandert dafür in Rauchbomben, Akrobaten, aufwendige Kampfszenen und Nebelmaschinen, wobei mich der großzügige Einsatz der Letzteren zwischenzeitlich an versuchte Insektenvernichtung erinnerte.

Freunden tiefgründiger Geschichten und schwerer Musik sei es angeraten, sich von "Zorro" sehr weit entfernt zu halten. Doch als Gute-Laune-Paket kann ich dieses Stück nur wärmstens weiter empfehlen. Olé! NG