"DIE VERKAUFTE BRAUT" - 4. Dezember 2010

Selbst die "Verkaufte Braut" ist eine Seltenheit in Frankreich. Die derzeitige Produktion, die erst 2008 aufgenommen wurde, ist die erste im Repertoire der Pariser Oper. Auch sonst sind tschechische Opern praktisch unbekannt, mit Ausnahme von Janácek, der erst in den 1970er Jahren "heimisch" wurde (und zuerst in Nancy und Lyon!). Aus dem Programm-Buch konnte man erfahren, daß Smetana die Ouvertüre großteils schon 1863 geschrieben hatte und nach längerem Zaudern ein einaktiges Singspiel mit Dialogen daraus machte, das im "Provisorischen Theater" 1866 uraufgeführt wurde. Erst zwei Jahre später wurden die Dialoge in Rezitative verwandelt und die Arien und Ensembles in die heutige Form ausgebaut und im selben Haus 1869 gespielt. Daß die Oper ein wenig Stückwerk ist, bemerkt man kaum, bis auf den etwas plötzlichen Schluß. Smetana hat hier erstmals eine "große" Volks-Oper komponiert, und die Nummern sind sehr ausgefeilt, wie z.B. Marenkas innige Arie "Wie fremd und tot ist alles umher" oder das herrliche Duett Kecal/Jeník.

Die Inszenierung des belgischen Regisseurs Gilbert DEFLO ist gelungen und versetzt die Handlung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, denn Kecal kommt in einem offenen, flaschengrünen Automobil von ca. 1920 auf die Bühne. Die Bühnenbilder und Kostüme von William ORLANDI sind eigentlich recht passend. Nur sind die einheitlich ockerfarbenen Häuser nicht dem tschechischen Rahmen angepaßt; man denkt eher im Sahel oder in einer Wüstenoase zu sein. Hell beleuchtet wurde die Bühne passend von Roberto VENTURI.

Der Darmstädter GMD Constantin TRINKS leitete sehr lebendig die wunderbare Musik Smetanas. Schon in der Polka und natürlich im Furiant war die böhmische Atmosphäre garantiert. Trinks wußte auch die Sänger bestens zu führen und das ORCHESTRE DE L'OPÉRA NATIONAL DE PARIS für die böhmische Musik zu animieren. Eine sehr schöne Leistung, ein Dirigent, dessen Namen man sich merken sollte. Der PARISER OPERNCHOR unter der Leitung von Alessandro DI STEFANO sang und spielte mit Freude die ländliche Liebes-Geschichte. Vervollständigt wurde der Abend durch die schöne Choreographie von Micha VAN HOECKE, der keinen Tanzabend im Stil von Pina Bausch daraus machte.

Die Sänger waren alle ausgezeichnet, angeführt vom Liebespaar. Inva MULA sang die Marenka sehr innig und mit prachtvoller Stimme, die immer voller und ausdrucksvoller wird. Ihr Liebhaber Jeník war mit Piotr BECZALA natürlich bestens besetzt. Der polnische Tenor ist am Höhepunkt seiner Karriere und sang prachtvoll. Als Kecal stellte Jean-Philippe LAFONT, nicht wirklich ein Baß-Buffo, den geriebenen und angebenden Kuppler mit kräftig-derber Verve dar. Er konnte seinen schönen Baß-Bariton bestens einsetzen, unterstützt von seinem ebenso schönen, aber rauchenden Auto.

Als Braut-Elternpaare waren Oleg BRYJAK (Krušina) und Isabelle Vernet (Ludmila), sowie Jeníks Vater mit Michael DRUIETT (Micha) und Marie-Thérèse KELLER als snobistische Stiefmutter Háta sehr gut besetzt. Den etwas beschränkten Sohn Vašek gab Andreas CONRAD in passendem Bären-Kostüm, ohne zu outrieren, eine tragische Interpretation. Ein Volltreffer war natürlich der Zirkusdirektor von Heinz ZEDNIK - phantastisch. Die Tänzerin Esmeralda sang Valérie CONDOLUCI amüsant und mit hübschem Sopran. Ugo RABEC als Indianer vervollständigte die gelungene Aufführung.

Natürlich waren viele Kinder in der Vorstellung, die herzlich und lautstark mit den Eltern applaudierten. Ein sehr schöner Abend! wig.