Was nützt einem der Besitz eines Statussymbols, wenn man es nicht zeigen darf. Dieser Widerspruch ist einer, der auch heute noch einen Menschen vor ein Problem stellen kann. Im Falle des Königs Kandaules ist das Statussymbol seine Frau Nyssia, die zwar wunderschön ist, aber eben aus Anstand immer verschleiert. Was hat er vom Anblick dieser Frau, wenn kein anderer ihn darum beneiden kann?

Dies ist der Ausgangspunkt von Alexander Zemlinskys nachgelassener Oper in der Rekonstruktion von Antony Beaumont nach Texten von Franz Blei und André Gide. Dem König bietet sich eine Lösung in Form eines Rings, der unsichtbar macht und des Fischers Gyges, der den Ring tragen soll, wenn die Königin sich entkleidet. In der Geschichte kann das nur zur Katastrophe führen, und auch für Zemlinsky war dieser Punkt zu Lebzeiten verheerend, da die Metropolitan Opera New York meinte, das Stück mit einer nackten Frau nicht aufführen zu können.

Christine MIELITZ ist es in ihrer Salzburger Inszenierung gelungen, die Nacktheit der Nyssia zwar zu zeigen, aber in unpeinlicher und stilisierter Form. Es hat mehr etwas von einer symbolistischen Geste, denn von offener Provokation. Die gesamte Produktion, in den eher dunklen Bildern von und nach Alfred HRDLICKA, zielt sehr auf die drei Hauptpersonen und ihre Verstrickungen ab. So bleiben die den König umgebenen Höflinge oft genug in der ersten Parkettreihe und somit im "Hintergrund".

Die volle Konzentration gehört Robert BRUBAKER als Kandaules, Wolfgang SCHÖNE als Gyges und ganz besonders Nina STEMME als Nyssia. Mit welch ehrlicher Scheu sie sich den Blicken der Hofschranzen entzieht, weder verstört noch verklemmt, und später mit großer sachlicher Leidenschaft Gyges zum Mord am König drängt, ist fantastisch. Daneben Gyges, der fast unbewegt mit ansieht, wie er zunächst alles verliert, um dann eine neue Leidenschaft zu entdecken, die dem sonst in sich ruhenden selbst nicht geheuer ist; und der oberflächliche König, der die Warnungen seiner Frau nicht ernst nimmt, und mit dem man am Ende nicht so recht Mitleid haben will, das ist großes Theater.

Zemlinskys Musik ist immer dicht und drängend, kräftig, aber nie so monumental, daß sie den Sängern nicht den Vordergrund ließe. Kent NAGANO am Pult des DEUTSCHEN SYMPHONIEORCHESTERS BERLIN betont denn auch das fein verwobene der Musik. Warum das Orchester allerdings im 3. Akt auf der Bühne spielen muß und damit zwangsläufig von den Personen ablenkt, ist mir nicht klar. Die schwierige Akkustik im Kleinen Festspielhaus rettet das auch nicht. Kerstin Schröder