„PETER GRIMES“ - 19. März 2005

Die Produktion der diesjährigen Osterfestspiele ist eine Bearbeitung von Sir Trevor NUNNs Glyndebourne Inszenierung von 1992. Und es muß ja kein Nachteil sein, wenn man ein bewährtes Konzept wieder aufgreift und den neuen Verhältnissen anpaßt. Zumal bei einer an sich zeitlosen Interpretation wie hier.

Die Bilder von John GUNTER sind frei den Edvard Munch’schen Landschaften entnommen, und einmal blitzt in einer Szene zwischen Peter und Ellen dessen „Die Einsamen“ durch. Die Vermischung mit der englischen Nordseeküste scheint perfekt. Lange Küstenstreifen, die auf der breiten Bühne des Festspielhauses große Dimensionen bieten. Ganze Straßenzüge mit Häuser- und Kirchenfronten, ein Gerichtssaal, bei dem das gesamte Dorf drängend auf den Angeklagten herunterblickt, wie bei einer Karikatur von William Hogarth. Aunties dunkle Spelunke, völlig überfüllt im Sturm. All dies sind Bilder, extrem stimmungsvoll ausgeleuchtet von David HERSEY, die die Geschichte des Außenseiters Peter Grimes wunderbar erzählen könnten. Trotzdem geht das Konzept nicht ganz auf.

An der Musik kann es nicht liegen, denn Sir Simon RATTLE und die BERLINER PHILHARMONIKER tarieren die Musik beeindruckend aus, in all ihrer gebrochenen Rhythmik und ihrer Geborstenheit. Allein ihnen zuzuhören ist ein Genuß.

Zu liegen scheint es an den Personen, die den Bildern das Leben erst einhauchen müssen. Bei den Sängern, wo dies gelingt, sieht man, was diese Inszenierung leisten könnte. So bei John TOMLINSON als Captain Balstrode, mit seiner Menschlichkeit und Ruhe, oder beim Apotheker Ned Keene von Christopher MALTMAN. Er versteht es, seine Rolle in der Umgebung zu plazieren und auf das Äußere zu reagieren. Oder auch die Mrs. Sedley von Kathryn HARRIES, die die Boshaftigkeit fast schon überzeichnet, was hier aber gut funktioniert.

Sowohl stimmlich als auch darstellerisch schwach dagegen die Ellen Orford von Amanda ROOCROFT. Sie bleibt hölzern und geht unter, statt ein Pol der Wärme, Güte und Loyalität zu sein. Selbst eine Jane HENSCHEL als Auntie schafft es nicht, ihrer Rolle die Lebendigkeit und Dominanz zu geben, die sie in diesem Ambiente bräuchte. Gut zu Geltung kommen dagegen die von Simon HALSEY perfekt einstudierten Chöre (EUROPEAN VOICES und Studenten der GUILDHALL SCHOOL OF MUSIC AND DRAMA) als Abrundung des Genrebildes und mit exzellent homogenem Klang.

Robert GAMBILL als Peter Grimes findet erst in seiner letzten Szene ganz zu sich, als er allein am Strand dem Wahnsinn nahe, gebrochen ist. Sein hin und her gerissen Sein, sein abruptes Aufhorchen, wenn er die Dorfbewohner aus der Ferne hört, letztlich seine Gefügigkeit, wenn Balstrode ihn aufs Meer schickt, und all dies vor weiter einsamer Kulisse, da zeigt sich die Stärke der Produktion. Denn bei aller Optik lebt das Stück ausschließlich von den Menschen, von ihren starken Gefühlen, negativ wie positiv, und da wo sie keine Chance haben ist alles verschenkt. KS