Liederabend Stella Doufexis/Dietrich Henschel - 18. August 2009

Um "Heimat und Ferne, Vergessen und Gedenken" ging es am18. August im Hamburger Rolf-Liebermann-Studio beim Doppelliederabend von Stella DOUFEXIS und Dietrich HENSCHEL. Das auf den ersten Blick mehr als gemischte Programm, in dem sich in bunter Abwechselung Schumann neben Reimann und Schubert neben Rihm fand, erhielt seine Logik allein aus der literarischen Thematik. Texte von Eichendorff, Hölderlin, Heine, Mörike und Nietzsche bildeten das Gerüst für eine Reise, bei der Erinnerungen und stetiges Unterwegssein im Vordergrund standen. Eichendorffs "In der Fremde" bildete dabei fast eine Art Roten Faden, war es doch außer in der bekannten Vertonung Schumanns auch noch in Versionen von Brahms und Hanns Eisler zu hören, der sein nur die erste Textstrophe verwendendes Lied ausdrücklich "Erinnerung an Eichendorff und Schumann" betitelt hatte.

Dazwischen bot der Abend einiges Bekannte wie Schuberts "Der Wanderer an den Mond", Wolfs "Heimweh" und einige Schumann-Lieder, vor allem aber nur selten zu Hörendes aus neurer Zeit. Wer kennt schon noch Heimo Erbse (1924-2005), der mit einer Mörike-Vertonung vertreten war. Zu den Arrivierten zählen dagegen Aribert Reimann, Peter Ruzicka und Wolfgang Rihm, auch wenn die Aufführungszahlen mit denen der "Klassiker" kaum mithalten können. Interessant war hier vor allem, wie stark Rihm (geb. 1952) sich mit seiner sehr viel sinnlicheren Kompositionsweise von den beiden älteren Kollegen (gegenüber Ruzicka sind es gerade einmal vier Jahre) absetzt. Seine Nietzsche-Vertonungen von 2001 erweisen sich gegenüber den 2007 entstandenen Hölderlin-Fragmenten Ruzickas als geradezu postmoderner Klanggenuß. Ruzicka dagegen scheint zunächst eher an Reimanns schon 1966 komponiertes "Nachtstück" und anderes aus den großen Tagen von Darmstadt und Donaueschingen anzuschließen und bekommt erst allmählich persönliche Konturen, die über die rein strukturelle - irgendwie schon längst nicht mehr neue - Denkweise hinausreichen.

Als recht unkonventioneller Kopf erwies sich dagegen der 1964 geborene Christian Jost, dessen den Abend beschließendes Fragment aus "Das Urteil" von Kafka nachdrücklich eigenes Profil erkennen ließ. Und Paul Dessaus 3 Lieder für unbegleiteten Mezzo hatten zwischendrin ebenfalls für einen Akzent außerhalb der gewohnten Pfade neuer Musik gesorgt.

Reichlich Arbeit für die beiden Sänger also, die sie alles in allem hervorragend bewältigten. Bei Dietrich Henschel, der sich vor allem bei Reimann, Rihm und Ruzicka als hochmusikalischer und intonationssicherer Interpret erwies, klang die Stimme in den Pianohöhen freilich oft angestrengt. Und auch bei der Textverständlichkeit mußte er Stella Doufexis den Vortritt lassen, die bei Dessau und Jost nicht nur eine hervorragende Sachwalterin moderner Musik war, sondern mit ihrer Mischung aus Textauslotung und klangschöner melodischer Linie auch der musikalischen Romantik zu ihrem Recht verhalf.

Am Klavier leistete Axel BAUNI bei den pianistisch zum Teil extrem anspruchsvollen Werken Schwerstarbeit, wobei er erfreulicherweise die Klangkultur nicht zu kurz kommen ließ. HK