"ZEITREISEN" - 20. Juli 2009

An zwei Abenden in Lüneburg und Rellingen ging es hauptsächlich um jüdische Komponisten und um jeweils einen bestimmten Ort - und doch hätten die Gegensätze kaum größer sein können.

Sylvia GREENBERG, gefeierte Zerbinetta und Königin der Nacht in den achtziger Jahren, lebt in Wien mit ihrem Mann, dem Pianisten David ARONSON, in der Theobaldgasse Nr. 7. Das Haus war über Jahre eines der musikalischen Zentren Wiens, denn hier wohnte lange Zeit nicht nur die Familie Korngold, sondern ab 1908 auch Bruno Walter (Franz Lehár logierte übrigens gleich um die Ecke in Nr. 16). Viele berühmte Komponisten kamen zu Besuch, um deren Werke es am 20.7. im kleinen Fürstensaal des Lüneburger Rathauses ausschließlich ging - ein "Hauskonzert" im Wortsinn.

Drei Lieder von Carl Goldmark standen am Anfang, wenig inspirierte Spätromantik, die man beim Erklingen der "3 Lieder op.22" von Korngold sofort wieder vergessen hatte. Interessant war auch die Begegnung mit drei um 1903 entstandenen Liedern Bruno Walters, keine "Kapellmeistermusik", sondern harmonisch durchaus auf der Höhe der Zeit. Julius Bittners "Sechzehn Lieder von Liebe, Ehe und Treue" (von denen zwei erklangen) weisen noch eine zweite Verbindungslinie zur Theobaldgasse auf, denn Korngold saß bei der Uraufführung am Flügel - was an der kompositorischen Überholtheit allerdings nichts ändert.

Nach der Pause dann Gustav Mahler, ein Auszug aus Korngolds "Ring des Polykrates" und die "6 Walzergesänge" von Zemlinsky, dazu "Sole e amore" von Puccini, der Korngold in den Jahren 1913, 1916 und 1921 besucht hatte. Ein reizvolles Programm also, das gescheit zusammengestellt war und vieles - manchmal zu Recht - heute kaum mehr Aufgeführtes zu Gehör brachte.

Gespannt war ich auf die Stimme, die ich zuletzt 1983 gehört hatte. Die extreme Höhe wurde hier nicht verlangt, und der Rest sitzt ganz einfach, schlank und präzise, nicht sehr voluminös (das war das Organ nie), dafür mit schöner Linienführung und Sinn für Differenzierung - eine erfreuliche Wiederbegegnung nach langer Zeit, zu der der Flügel(ehe)mann sein gutes Teil beitrug. Das Programm ist auch als CD erhältlich, unbedingt empfehlenswert. HK