"HALKA" - 22. August 2010

In einem der vier besuchten Konzerte des SHMF kam dann auch der diesjährige Länderschwerpunkt Polen zum Zuge, wobei der Fairness halber gesagt werden muß, daß die polnische Musik insgesamt schon gut vertreten war, das schlechte Verhältnis entsprang schlicht dem Zufall.

Stanislaw Moniuszkos Opernerstling "Halka", 1847 zunächst privat in Vilnius und elf Jahre später offiziell in Warschau uraufgeführt, genießt bis heute quasi den Status der polnischen Nationaloper, hat sich außerhalb der Landesgrenzen aber nur wenig durchsetzen können. Und Einspielungen außerhalb des Landes hat es meines Wissens nur um 1950 herum sowohl bei der sowjetischen Melodya als auch beim Prager Rundfunk also benachbarten "Bruderländern" gegeben.

Warum ein Stück zur Nationaloper erkoren wird, hängt ja häufig genug nicht von der Musik sondern vom Sujet ab. Und hier unterscheidet sich "Halka" durchaus wohltuend von diversen anderen Werken, weil weder heroisch die Größe der Nation gefeiert wird (wie bei Smetanas "Libussa" etwa), noch - mindestens genauso heroisch - deren historische Niederlage. Das Ganze ist eine relativ schlichte Dreiecksgeschichte, mit sehr deutlichem sozialkritischen Bezug allerdings, geht es doch um eine Leibeigene, die am Verhältnis zum Adelsherren, der sie schnöde sitzen läßt (der Bariton natürlich...), zerbricht. Da die Leibeigenschaft im Zarenreich, das im 19. Jahrhundert in Warschau das Sagen hatte, erst 1861 abgeschafft wurde, waren Probleme mit der Zensur vorgezeichnet.

Musikalisch finden sich immer wieder ganz bewußte folkloristische Anklänge, Moniuszko versucht sehr eindeutig, den von Chopin in der Klaviermusik eingeschlagenen nationalen Weg auf die Oper zu übertragen. Inwieweit ihm dies qualitativ gelungen ist, möchte ich nach der konzertanten Aufführung im Kieler Schloß allerdings nicht beurteilen. Allzusehr schien mir das Werk unter der Ausführung zu leiden, was zum großen Teil am Dirigenten Lukasz BOROWICZ lag, der die sicherlich zum ersten Mal damit befaßte NDR RADIOPHILHARMONIE aus Hannover mit permanent hektischem Einsatz im Eiltempo durch die Partitur hetzte, sodaß dynamische Differenzierungen und eventuelle instrumentale Feinheiten auf der Strecke blieben.

Und auch vokal gab es zumindest bei den beiden männlichen Hauptpartien Probleme. Der erfolglos liebende Jontek ist eine Rolle für einen lyrischen Tenor mit ein paar Ausflügen in dramatischere Gefilde, nicht für einen in die Jahre gekommenen schweren Helden. Die Zeiten als Radames, Otello und Hermann in der "Pique Dame" sind an Vladimir KUZMENKO nicht spurlos vorbei gegangen, dem voluminösen und immer noch höhensicheren Organ fehlt die Geschmeidigkeit in der Stimmführung und die Weichheit des Timbres, das ist alles sehr solide, aber auch reichlich handfest.

Und warum der als Liedersänger mit einem guten Ruf versehene englische Bariton Konrad JARNOT den Janusz ins Repertoire genommen hat, blieb mir völlig unklar; der nicht wirklich ergiebigen Partie, die obendrein ohne eigene Arie auskommen muß, hätte eine virile Interpretation der Marke "potenter Aufreißer" vielleicht Konturen verleihen können, aber es blieb bei - zugegeben - sehr korrekt gesungenen Noten ohne Fleisch und Blut.

Deutlich besser sah es bei den Damen aus. Urszula KRYGER war mit warmem Mezzo eine wahre Luxusbesetzung für die standesgemäße Verlobte Zofia. Und Iwona SOBOTKA zeigte als Halka (mit der das Stück schon ob der Größe der Rolle steht oder fällt), wie man auch auf dem Podium einer Figur Leben einhauchen kann. Das Organ selbst war gewöhnungsbedürftig, von einer eigenartigen gläsernen Kühle - und mit den entsprechenden Schärfen in der Höhe - aber gleichzeitig derart emotional eingesetzt, dass eine eindrucksvolle Mischung aus "Feuer und Eis" entstand, die keinen Moment kalt ließ.

Solides tat sich in den kleineren Partien, wobei hier vor allem einige Chorsolisten des insgesamt hervorragenden WROCLAW PHILHARMONIC CHOIR auffielen. HK