„MACBETH“ (Sciarrino) - 22. Dezember 2002

Bis heute sind Komponisten immer wieder fasziniert und angeregt von den Dramen William Shakespeares. Sie entdecken in ihnen Geschichten von überzeitlicher Gegenwart und Gültigkeit. Naturgemäß sind es dabei besonders die Tragödien, die zu immer neuer Auseinandersetzung anregen.

Bei Salvatore Sciarrino ist es Macbeth, der einer erneuten Betrachtung unterzogen wird. Sciarrino sieht hier eine exemplarische Geschichte um die Macht und die Mächtigen. Die Figuren sind allein, die Handlung, die Sciarrino als bekannt voraussetzt, ist noch mehr verkürzt als in Shakespeares ohnehin kürzestem Drama. Einzig der große Monolog am Ende, als Macbeth vom Tod seiner Lady erfährt, wird in ganzer Länge auskomponiert, als letztes Zeichen der alles überschattenden Einsamkeit. Sciarrinos charakteristische Gesangsführung mit den kurzen fast gepressten aufsteigenden und jäh wieder abfallenden Linien, trägt ein übriges zur sehr dichten Atmosphäre des Stückes bei. Die zwei Orchester, im Graben und hinter der Bühne, sind meist zurückgenommen im Dienst der Stimme.

Für die Uraufführung als Gemeinschaftsproduktion der Schwetzinger Festspiele, der Musica per Roma und der Oper Frankfurt, hat sich Achim FREYER des Stückes angenommen, und erweist sich als kongenialer Umsetzer. Auf der kleineren Bühne des Frankfurter Schauspielhauses erschafft er einen schwarzen Raum, in den mit einfachen weißen Linien verschiedene Perspektiven erzeugt werden können. Mal sind der Raum und die Handelnden um 90 Grad gedreht, mal schaut man wie von einem Turm in einen Abgrund, mal sind die Wände zu niedrig für die agierenden Menschen. Nichts ist fest, sicher. Die Welt verwirbelt sich, während die Menschen ihr blutiges Spiel spielen. Schwarz und rot sind die dominierenden, ja beinahe einzigen Farben. Und nur einmal, während der Bankettszene, kommt so etwas wie Entspannung auf, Gold tritt als Farbe in der Kleidung hinzu (Kostüme: Amanda FREYER) und viele Menschen sind auf der Bühne. Es wird getanzt und Musikzitate von Verdi und Mozart erklingen. Wäre da nicht Banquos Geist, es käme beinahe festliche Stimmung auf. Aber der Lauf der Dinge ist nicht zu stoppen.

Das ENSEMBLE MODERN unter Johannes DEBUS kann hier seine Souveränität in Sachen neuer Musik wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellen und auch die zum Teil bereits Sciarrino erprobten Sänger wie Otto KATZAMEIER als Macbeth, Annette STRICKER als die Lady, Richard ZOOK als Banquo, Thomas MEHNERT als Duncan oder auch besonders Sonia TURCHETTA in vier Rollen zeigen die Qualität der Musik.

Sicher kein leichter Stoff in eingängiger Umsetzung, wie die vielen Zuschauer belegten, die während der pausenlosen Aufführung den Saal verließen, aber eine fesselnde Demonstration über die Gnadenlosigkeit mit Blut erkaufter Macht. Kerstin Schröder