"LOHENGRIN" - 1. Oktober 2002

Im Stadttheater Itzehoe, einem architektonisch eigenwilligen Bau, gastierte das Landestheater Detmold mit Wagners Mammutwerk. Die Akustik ist überraschend gut, die Bestuhlung ist allerdings bei einer viereinhalbstündigen Vorstellung etwas zu rustikal.

Das Landestheater Detmold reist viel. Dies bedeutet, daß man in punkto Bühnenbild (Michael ENGEL) Abstriche machen muß; man muß ja schnell auf- und abbauen können. Allerdings hätte man dann auch unter diesen Umständen auf den lauten Umbau vor der letzten Szene verzichten können, der das Orchester übertönte. Eine Bühne, auf der sich nichts befindet, ist nicht reizlos, aber nur dann, wenn der Regisseur mit seinen Sängern auch etwas anfangen kann. Diesen Eindruck hatte man von Jan-Richard KEHLs Regie nicht. Gerade der Sänger der Titelrolle hätte die Unterstützung des Regisseurs benötigt. Das Regiekonzept enthielt vor allem Herumstehen. Der Auftritt von Lohengrin - ohne sichtbaren Schwan - wurde ziemlich verschenkt, indem einfach nur ein Vorhang fiel. Ortrud stand im Zentrum des Konzeptes; daß sie allerdings des Vorspiels via Kreideschrift mit Gottfried korrespondierte, brachte dem Stück nicht wirklich ein anderes Verständnis.

Die Kostüme der Damen waren in Ordnung, eigentlich auch die der Herren, allerdings verschenkte es eine Menge Effekt, daß Lohengrin nun fast das gleiche (nur etwas glänzender) uniformartige Sakko trug wie die Mannen von Heinrich. Es wirkte, als habe sich der Gralsritter vorher erkundigt, was derzeit in Brabant und Umgebung in sei (Kostüme: Claudia HEINRIG).

In der Titelrolle klang Ivar GILHUUS vielversprechend; bei jedem Auftritt für ungefähr zwei oder drei Phrasen, die wortdeutlich und intelligent dargeboten wurden. Dann jedoch verfiel der Sänger immer wieder in unsaubere Intonation, was auf Überforderung mit dieser Partie hindeuten dürfte. Zudem bewegte er sich alles andere als gewandt auf der Bühne. Man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er sich in jedem Augenblick daran zu erinnern versuchte, welchen Gang der Regisseur als nächstes vorgesehen hatte. Brigitte BAUMA als Elsa hat eine Stimme wie ein Diamant; sie schneidet auch Glas. In der Mittellage im mezzoforte gab es einige schöne runde Töne, jedoch in der Höhe wurde die Stimme rasiermesserscharf, piano-Versuche gingen ebenso daneben wie dramatische Ausbrüche.

Das dunkle Paar war das schon von einer anderen Klasse. Zwar gelangen Ortrud Margo WEISKAM ihre Schlußtöne nicht optimal, aber vorher war sie nicht nur von einer traumwandlerischen Sicherheit in ihren dramatischen Ausbrüchen, sondern es gelang ihr auch eine unterschwellige Bösartigkeit darzustellen. Ihre Ortrud war allerdings mehr rächende Tochter als furchtbares Weib. Ihr Gemahl war bei Ulf PAULSEN in sehr guten Händen. Der Sänger hatte es nicht nötig, sich durch die Partie zu brüllen, wie man es häufig hört. Er war beispielhaft wortdeutlich und insbesondere in der unteren Lage sehr spannend timbriert. Lediglich in der oberen Lage könnte die Stimme noch etwas mehr Klang entwickeln. Darstellerisch konnte er nicht nur bemerkenswert gut mit einem Schwert umgehen, sondern bewies auch wieder die Richtigkeit des Satzes: everybody loves a good villain.

König Heinrich wurde von Vladimir MIAKOTINE in verbesserungsfähigem Deutsch gesungen. Der noch junge Sänger besitzt eine beachtliche Baßstimme, die er jedoch zu häufig forcierte. Die wahre Schönheit der Stimme kam immer dann zum Vorschein, wenn er die Lautstärke etwas zurücknahm. Der Heerrufer von Rainer WEISS sang mit flacher, klang- und timbreloser Stimme. Zudem warf er sich bei jedem Einsatz in eine merkwürdige, unfreiwillig komische Körperhaltung. Einen positiven Eindruck hinterließen die vier brabantischen Edlen (Bruno GEBAUER, Michael KLEIN, Harald WITTKOP und Dejan BRKIC).

Dem CHOR und EXTRACHOR DES LANDESTHEATER DETMOLD, verstärkt durch Mitglieder von CORUSO e.V. fehlte es nicht an Engagement, jedoch an Sicherheit bei der Tongebung. Es fielen dauernd, speziell bei den Herren, einzelne Stimmen heraus, zeitweise schien sogar jeder selbst zu entscheiden, was er gerade zu singen wünschte.

Das ORCHESTER DES LANDESTHEATER DETMOLD ist ein merkwürdiger Fall. Dirigent Erich WÄCHTER, der das Orchester immer sängerfreundlich leitete, entlockte ihm sensible Phrasen, die wunderschön schwangen, die unter die Haut gingen. Leider konnte das Orchester diesen Intensionen zwar vom Klang her, aber technisch nicht vollständig folgen. Zuviel ging bei den Bläsern daneben. Da hat der neue GMD noch eine Menge Arbeit vor sich. MK