"LA PIETRA DEL PARAGONE" - 15. August 2002

Die Vorwarnung bezüglich einer modernen Inszenierung ließ mich vorerst mit gemischten Gefühlen zu der ersten Aufführung eilen. Allerdings half die Vorwarnung nicht, daß ich mir im allerersten Moment, als sich der Vorhang hob, einmal leicht die Augen rieb, blickt man doch auf eine moderne Villa mit Swimmingpool inmitten eines großen Parks, Bikini-Nixen und einen Bademeister, der eben diese mit einem Schlauch bespritzt. Nun, dieses Planschbecken wäre durchaus entbehrlich gewesen, zumal das auch so eine "neue Idee" ist, die fast jeder Regisseur verwendet, wie dero einst die ständigen Kofferträger, passend oder unpassend.

Nachdem ich diesen kleinen Schock überwunden und die Handlung ihren Lauf genommen hatte, entwickelte sich sehr bald Wohlgefallen, und es zeigte sich, daß Pier Luigi PIZZI eine sehr gut und bis zum letzten Takt durchdachte, moderne in unsere Zeit verlegte Inszenierung auf die Bühne brachte. Von Vorteil war sicher auch, dasßer für das Bühnenbild und die Kostüme ebenfalls verantwortlich zeichnete, und die von ihm angestrebte Linie wirklich konsequent verfolgt werden konnte. Ich war letztendlich von der Harmonie äußerst angetan und sehr begeistert und wünschte mir solche qualitativ hochstehende Aufführungen wesentlich öfter im Opernbetrieb.

"La Pietra del Paragone" (der Prüfstein) wurde 1812 von Rossini komponiert (also ein sehr frühes Werk) und auch im gleichen Jahr an der Scala uraufgeführt. 1812 war ein Jahr der regen Komposition bei Rossini, schuf er doch sechs Werke. Musikalisch hört man bereits die "Italiana", "Barbiere" und anderes, was dann später intensiver auskomponiert wurde. Eigenartiger Weise wird das Werk weder in Italien noch außerhalb sehr oft gegeben.

In Italien kann man sagen, gibt es alle 10 Jahre einen Boom, sonst kommt es dann und wann am auf den Spielplan. An den anderen europäischen Bühnen sind es eher die Festspiele, die dieses Werk aufgreifen, Glyndebourne, Drottningholm, Llantilio, Wildbad, Wexford, um nur einige zu nennen, ein Umstand, der mir nicht ganz verständlich ist, da es sich um ein sehr gefälliges Werk handelt, gute Rollen bietet und auch der Spielfreude großen Freiraum läßt.

Die Geschichte ist natürlich nicht frei von Wirrnissen, denn sonst hieße es auch wohl nicht "der Prüfstein". Ein detaillierte Inhaltsangabe, wie im Programm, würde den Rahmen sprengen. Vielleicht nur so viel: der Conte Asdrubale sollte sich doch einmal verehelichen, und hat die drei Damen, die in die engere Wahl kommen, zu sich eingeladen. Die Witwe Marchesa Clarice, die Baronessa Aspasia, Donna Fulvia. Ein weiterer Hauptakteur ist Cavalier Giocondo, ein Poet und inniger Freund des Grafen, der seinerseits Clarice liebt. Weiters anwesend zwei Freunde Macrobio und Pacuvio. Der Graf inszeniert nun eine Prüfung. Er verliert angeblich all sein Hab und Gut, und nur Clarice und Giocondo erweisen sich als wahre und innige Freunde, halten zu ihm und wollen auch mit ihm teilen. Alle anderen paktieren sofort mit den Gläubigern Asdrubales und wechseln die Seiten. Das damit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, ist klar, Zur Freude aller stellt sich aber heraus, daß alles ein Irrtum war, und der Graf seinen Reichtum doch behalten kann. Nun ist aber Clarice verunsichert und macht ihrerseits eine Prüfung , in dem sie als ihr Bruder Lucindo auftritt, um selbst die wahren Intentionen des Grafen zu erforschen, indem sie ihre Pläne verlauten läßt, doch Giocondo zu heiraten. Dieser hatte aber bereits zu Gunsten des Freundes Asdrubales verzichtet. Auch sie erkennt alsbald, daß der Graf nur sie liebt und somit steht einem fröhlichen und glücklichen Ende nicht im Wege. Die kleinen Ränke und Wirrnisse dazwischen zu schildern, die dem Werk auf der Bühne Gehalt geben, wäre etwas mühsam.

Das Sängerteam hat eine sehr schöne und homogene Leistung gebracht. Die drei Hauptpartien Clarice, Carmen OPRISANU, (ein warmer Mezzosopran, gut geführt, sichere, präzise Höhen, elegante Gestalt), Graf Asdrubale Marco VINCO, (25 Jahre jung, im 3. Jahr seiner Karriere, war die Entdeckung und Überraschung des Abends für mich, eine schöne, kräftige Stimme, sehr geschmeidig und daher keinerlei Probleme bei den Rossini'schen Koloraturen, sehr spielfreudig und eine gute Bühnenerscheinung) und Giocondo Raúl GIMÉNEZ (wie immer einwandfreie Höhen, herrliches Legato, makellose Diktion, stets Garant für erste Qualität auf der Bühne auch durch seine Rollengestaltungen) ragten dabei sehr stark heraus.

Die anderen Darsteller boten ebenfalls gute Leistungen sowohl gesanglich, als auch darstellerisch. Man merkte hier ganz allgemein die intensive Probenzeit mit dem Regisseur und dem Orchester. Im Falle von Donna Fulvia (Patricia BICCERÉ) hätte ich mir eine andere Klangfarbe gewünscht, aber das ist wohl Geschmackssache. Aspasia (Laura BRIOLI), Macrobrio (Pietro SPAGNOLI) und Pacuvio (Bruno de SIMONE) waren stimmlich und typmäßig schon gut ausgewählt, es waren vielleicht dann und wann Kleinigkeiten, die besser hätten sein können, aber das geht auch mit einer Tagesverfassung einher (was ich bei der 2. besuchten Vorstellung am 18.8. bestätigt bekam. und dieser noch eine bessere Beurteilung zuteil würde.)

Der CHOR DI CAMERA DI PRAGA war von Lubomir MÁTL bestens einstudiert und auch regiemäßig ausnahmsweise gut betreut. (Kleines Manko der Regie Pizzis, er steckte Männer in Zimmermädchenkleidung- wäre nicht notwendig gewesen, gefiel aber.)

Das ORCHESTR des TEATRO COMMUNALE DI BLOGNA unter Carlo RIZZI spielte animierten Rossini. Man konnte sich auch an Details erfreuen. Carlo Rizzi ist über die Jahre ein Rossini-Spezialist geworden, der sich auch sehr um die Sänger bemüht. So sollte es sein. Nur wenn alle Sparten harmonisch miteinander verbunden werden, dann ergibt dies für den Zuhörer und Zuseher einen interessanten Opernabend. EH