„DIE WALKÜRE “ - 7. Juni 2003

IDas große Wagnis, einen kompletten „Ring“ auf die Bühne zu bringen, ging das Opernhaus in Kiel ein. Die (nunmehr scheidende) Intendantin Kirsten HARMS erklärte das zur Chefsache und übernahm die Inszenierung. Der Ring für das 21. Jahrhundert – wie es auf der Homepage des Theaters zu lesen ist – ist es zwar meines Erachtens nicht geworden, aber dennoch entstand eine durchaus beachtliche Produktion, von der ich jedoch lediglich die „Walküre“ gesehen habe.

Kirsten Harms verzichtet komplett auf unnötigen Tand. Auf der Bühne gibt es nur im ersten Akt Requisiten: einen Tisch, zwei Stühle und die Esche. In den anderen beiden ist sie leer, so daß sich das Hauptaugenmerk auf die Handlung richten kann. Ein wenig befremdlich fand ich es, daß o.e. Gegenstände während des Vorspiels aufgebaut wurden, und man im Bühnenhintergrund einen langen Tisch sah, wo die Sänger (und sonstigen Beteiligten, wie Inspizienten etc.) saßen und ihren Auftritten harrten, was von dem Bühnengeschehen ablenkte. Die Personenführung war ansonsten recht konventionell. Es wurde halt der Inhalt nacherzählt.

Nur erschloß sich mir nicht der Sinn, warum Wotan und Brünnhilde zu Beginn vom zweiten Aufzug auf einem Gerüst über dem Boden schwebten, so daß eine kontextuelle Diskrepanz zu Wotans ersten Worten „nun zäume dein Roß“ entsteht, wo sie doch gar nicht reitet. Relativ gut gelang Harms die Auseinandersetzung des Göttervaters mit seiner Gattin. Ein weiterer Pluspunkt der Produktion die gute Lichtregie, die stets eine passende Atmosphäre schafft. Für die Ausstattung zeichnete Bernd DAMOVSKY verantwortlich, der sich dem Konzept unterwarf und entsprechend schlichte Kostüme entwarf.

Roman SADNIK absolvierte sein Rollendebüt als Siegmund verheißungsvoll. Allerdings merkte man schon, daß die Rolle noch eine Grenzpartie für ihn darstellt, so hatte er im ersten Aufzug ab „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ einen Einbruch, der sich bis zum Aktende durchzog. Der zweite war schon besser. Seine Sieglinde wurde von Monika TEEPE gesungen. Mir ist ihre Stimme zu wenig dramatisch für diese Rolle, sie besitzt nicht genügend Fundament. Dennoch meisterte sie ihren Part mit Anstand.

Ähnliches gilt für Jennifer ARNOLD (Fricka). Sie brachte die betrogene, nahezu hysterische „Göttergattin“ nicht so ganz überzeugend über die Bühne, sang jedoch solide. Ganz anders war da Hans Georg AHRENS als Hunding. Er besitzt ein großes dramatisches Ausdruckspotential, aber leider auch eine äußerst hohle Stimme.

Ob Nadine SECUNDE der Fachwechsel vom jugendlich-dramatischen zum hochdramatischen Sopran gut getan hat, wage ich zu bezweifeln. Ihre Stimme klang eigentlich in jeder Lage unschön, bei den „Hojotoho“-Rufen musste sie teilweise ziemlich forcieren. Lag es an der Abendform? Trotzdem gelang ihr ein gutes Rollenporträt, nur darstellerisch war sie mir zu juvenil.

Der Wotan war bei Allan EVANS in sehr guten Händen. Er verfügt über eine gut ausgeprägte Tiefe und auch die Höhe kann sich durchaus hören lassen. Im letzten Aufzug merkte man aber schon, wie schwer diese Rolle doch ist. Nicht alle Töne kamen sicher, es hielt sich aber in Grenzen, und was sind schon ein paar verwackelte Töne gegen eine umfassende Interpretation? Am Ende gab es sehr viel Jubel für ihn, den er dankend annahm.

Die Walküren waren mit Eva-Christiane REIMER (Helmwige), Birgit BINNEWEIS (Gerhilde), Heike WITTLIEB (Ortlinde), Susanne McLEOD (Waltraute), Gro Bente KJELLEVOLD (Siegrune), Anne-Carolyn SCHLÜTER (Roßweiße), Heike GRÖTZINGER (Grimgerde) und Marita DÜBBERS (Schwertleite) sehr homogen besetzt.

Nicht so ganz zufrieden war ich mit dem Dirigat von dem scheidenden GMD Ulrich WINDFUHR. Zwar gab es keine großen Wackler bei den KIELER PHILHARMONIKERN, mit Ausnahme des Blechpatzers zu Beginn des zweiten Aufzugs, aber er dringt kaum in die Tiefen der Partitur vor, sondern dehnte sie ziemlich. Zugute halten muß man ihm, daß er auf die Sänger Rücksicht nahm und nie jemanden zudeckte.

An dieser Stelle sei noch die hervorragende Diktion ALLER Sänger lobend hervorzuheben. Man hätte jedes Wort mitschreiben können, ohne den Text zu kennen – wenn man es denn gewollt hätte.
Wolfgang Schmoller