„CELAN“ - 29. März 2003

Ziemlich genau zwei Jahre nach der Uraufführung an der Semperoper in Dresden hat nun das Staatstheater Mainz in Co-Produktion mit dem Staatstheater Darmstadt den „Celan“ von Peter Ruzicka neu inszeniert. Ein Projekt, das besonders wegen der Anforderungen an den großen CHOR nur von den beiden Bühnen zusammen bewältigt werden konnte.

Nach Claus GUTH machte sich jetzt Gottfried PILZ an eine Inszenierung und prüfte damit erneut das Werk auf seine Bühnentauglichkeit. Bei einer zweiten Inszenierung seien vergleichende Worte erlaubt. So läßt sich generell sagen, daß da, wo sich Guth auf die Einzelheit der Szenen berufen hatte (der Untertitel des Werkes ist „Musiktheater in sieben Entwürfen“), Pilz versucht, eine fließende Geschichte zu erzählen. Dafür sind seine beiden Hauptfiguren, der junge und der alte Celan (Vadim VOLKOV und Richard SALTER), sehr viel extrovertierter, agieren viel mehr, als das in Dresden der Fall war. Es gibt große Gefühle und weit ausholende Bewegungen, wo vorher kleine Gesten und Manierismen gezeigt wurden.

Dabei fließt die Geschichte eigentlich nicht. Ruzicka hat immer wieder betont, daß er keine tönende Biographie geschrieben, sondern versucht habe, reale Lebensstationen des 1970 durch Freitod verstorbenen Dichters zu zeigen, und daraus hervorgehend, jeweils mehrere Möglichkeiten des weiteren Verlaufs aufzeigen wollte. Aber auch dies wird von Pilz getragen, der in einem überwiegend schwarzen Raum alle Wege offen hält. Hier ist er viel freier als seinerzeit Guth, der durch Filmeinspielungen oder ausinszenierte Bilder die Situationen immer wieder konkretisierte und historisch fixierte. Die einzigen Filmsequenzen, die Pilz anbietet sind fließende Buchstaben als Symbol für den Dichter und sein Schaffen, und fliegende Figuren a la René Magrittes „Golconde“, sowie einmal ein Foto von Celan. Er überläßt vieles der Phantasie der Zuschauer, so, als ob die Räume keine Rolle spielen, und die Figuren und ihre Emotionen und Befindlichkeiten einzig wichtig sind. So auch die von Celans Frau, hier Christine genannt (gesungen von Patricia ROACH), der hier mehr Bedeutung und Eigenständigkeit z. B. als Künstlerin zukommt.

Auch die große Mittelszene, der vierte Entwurf mit dem Titel „Das Grauen“, wird fast entpolitisiert, und der Chor singt seine Todesklage über das Wort „Jerusalem“ in schwarzem Raum, nur von sich hebenden Neonlichtstreifen begleitet. Am gesamten Abend herrscht somit volle Konzentration auf die Figuren wie die Musik, und das was sie transportieren sollen.

Die Musik wiederum befindet sich bei der Mainzer GMD Catherine RÜCKWARDT in den allerbesten Händen. Sehr präzise und massiv kommt der Klang, der unter Einsatz von viel Schlagwerk und Blech oft forte oder fortissimo ist und selten Ruhe findet, aus dem Graben. Das PHILHARMONISCHE ORCHESTER DES STAATSTHEATERS ist über die gesamte Dauer von gut zwei pausenlosen Stunden sehr konzentriert.

Die Aufnahme im Publikum war, wie so oft bei neuer Musik, gespalten, aber Interesse und der Wille zur Auseinandersetzung war deutlich spürbar. Kerstin Schröder