„PARSIFAL“ - 25. Oktober 2003

Klaus-Maria GRÜBERs Amsterdamer Reise-Inszenierung des “Parsifal” ist nun nach einer Kreuzfahrt durch halb Europa für sechs Vorstellungen in Straßburg und zwei in Mühlhausen gelandet. Was bedeutet, daß die Inszenierung robust und adaptierbar ist, wenngleich man nach wie vor einige ästhetische Bedenken hat. Die Aufführungen waren vor sechs Jahren im Châtelet in Paris zu sehen gewesen, und wir hatten damals einige Skrupel. Die Bühnenbilder des Malers Gilles AILLAUD und die Kostüme von Moidele BICKEL sind nicht immer von bestem Geschmack; aber wie man weiß, über Geschmack läßt sich nicht streiten. Trotzdem ist der Zaubergarten des 2. Akts mit bunten, bizarren, Miró nachgefühlten, abstrakten Formen nicht sonderlich inspirierend (aber welcher Regisseur und Bühnenbildner hat schon was mit diesem Akt anfangen können?). Auch die knallgrüne Aue des 3. Akts ist nicht das Wahre.

Der schreckliche grasgrüne Pyjama Parsifals ist ebenso unschön wie der läppische bordeauxrote Schlafrock Klingsors. Doch der Auftritt der Gralsritter in Rüstungen (auf Rollwäglein) im letzten Akt ist sehr eindrucksvoll und imponierend. Der riesige Tisch quer über die Bühne der Gralsszenen ist auch gelungen, obwohl es nicht klar ist, weshalb der grell erleuchtete Stein, der den Gral im 1. Akt darstellt, im letzten Akt nicht mehr da ist. Konrad LINDENBERG sorgte für die richtige Beleuchtung. Und wenn man schon einen glatzköpfigen Parsifal hat, wäre eine Perücke wirklich nicht überflüssig. Auch ließ die Personenführung zu wünschen übrig, die Grüber sichtlich seiner Assistentin Ellen HAMMER überlassen hatte.

Musikalisch war die Aufführung von bester Qualität. Der österreichische Dirigent Günter NEUHOLD, der mehr in Frankreich als in Österreich (oder Deutschland) zu hören ist, ist dabei, sich als einer der besten Wagner-Dirigenten zu profilieren. Er leitete das ORCHESTRE PHILHARMONIQUE DE STRASBOURG mit fester Hand, absolut notwendig in dieser schweren Partitur, wo sehr viele rezitative Szenen größte Transparenz verlangt. Das ist Neuhold bestens gelungen, denn trotz einer gewissen Feierlichkeit, verfiel er niemals in eine bombastische Orchesterflut. Die Steigerungen, besonders in den Chorszenen, waren sehr eindrucksvoll. Der CHOEUR DE L’OPERA NATIONAL DU RHIN (Leitung Michel CAPPERON) fiel durchs ein Präzision und Stimmgewalt auf.

Von den Sängern ist nur Gutes zu berichten. Besonders eindrucksvoll war der junge Baß Friedemann RÖHLIG als Gurnemanz. Er besitzt die richtige Stimme für die Rolle, pracht- und machtvoll, eine perfekte Diktion und mit nicht ganz zwei Meter, auch die nötige Bühnenpräsenz. Mit väterlicher Ruhe mahnte er die Ritter und Parsifal. Die weitere Überraschung war die Kundry der Amerikanerin Jeanne-Michèle CARBONNET, die wir bereits mehrmals in Paris in Uraufführungen erlebt haben. Sie besitzt eine schöne, gut geführte, kraftvolle Stimme, ist groß und spielt die Rolle mit größter Intensität.

In der Titelrolle des “reinen Toren” war Frank VAN ALLEN zu hören. Er hat vielleicht nicht ganz die Statur für den Parsifal, singt aber ausgezeichnet und steht sehr brav herum (eine schreckliche Rolle, denn die halbe Zeit, d.h. Stunden, ist der Sänger ja auf der Bühne ohne zu singen). Etwas enttäuschend war Claudio OTELLI als Amfortas. Er spielt sehr ausdrucksvoll und intensiv, singt auch völlig überzeugend, doch die Stimme trägt nicht genügend, vor allem bei den Ausbrüchen bei der Gralsenthüllung. Mit seiner eher blöden Armprothese mit einem Rad am Ende, ist er natürlich sehr behindert.

Tomas MÖVES war ein hinterhältiger, gut singender Klingsor. Günther GROISSBÖCK sang den Titurel sehr schön mit schwarzem Baß. Als Gralsritter waren Mario MONTALBANO, Alexander KNOP, Fausto REINHART, Michel LECOMTE, Hye-Youn LEE und Monica BRETT-CROWTHER rollendeckend. Die beiden letzteren waren auch Blumenmädchen, zusammen mit Luanaa SIQUIERA, Fabiola José GONZALES MORENO, Géraldine CHAVET und Karen Leonie LEIBER. Die jungen Sänger stammen alle aus der Gruppe Jeunes Voix du Rhin, dem sehr aktiven Straßburger Opernstudio.

Ein sehr schöner und erfreulicher Abend von sehr hohem Niveau. wig.