"IL TRITTICO"- 19. Juni 2004

Eine der doch eher seltenen Aufführungen des „Trittico“ in seiner Originalgestalt konnte man gestern zum letzten Mal in dieser Saison in Graz erleben. Die Inszenierung von Robert TANNENBAUM, die von der nun bereits von Graz geschiedene Intendantin Karen Stone beim Badischen Staatstheater Karlsruhe eingekauft worden war, zerfällt stilistisch in zwei Hälften: „Il tabarro“ und „Suor Angelica“ geraten zu statisch, „Gianni Schicchi hingegen sprüht vor Lebendigkeit.

Das Einheitsbühnenbild von Peter WERNER läßt zwar schnelle Umbauten zu – dementsprechend gibt es auch nur eine Pause –, aber es paßt nur zu „Suor Angelica“ wirklich gut. Besonders „Il tabarro wirkt sehr merkwürdig, da man sich unter einem Seinekahn normalerweise etwas anderes vorstellt als einen weißen, leeren Raum. Die Kostüme von Ute FRÜHLING hingegen waren größtenteils passend, setzten jedenfalls besonders im ersten Teil mehr Akzente als das Bühnenbild.

Von den Menschen, die am Boot ihrer Hoffnung, dem düsteren Schiffermilieu doch noch zu entfliehen, nachgehen, geraten Frugola (Fran LUBAHN) und Igor MOROZOVs Michele am eindringlichsten. Sein Monolog, bevor Luigi an Bord kommt, war der berührendste Moment der ganzen Oper. Man konnte seine Sehnsucht nach früher wirklich nachspüren; genauso wirkte auch der Wunsch des Frettchens nach einem Haus am Land.

Juraj HURNY ist ein stimmlich großartiger Luigi, obwohl sowohl vom Alter als auch vom Aussehen für einen jugendlichen Liebhaber eher unpassend, er schafft es sogar, das stellenweise etwas zu laut aufspielende GRAZER PHILHARMONISCHE ORCHESTER unter Richard WIEN zu übertönen.

Bleibt nur noch Giorgetta, die von Joanna KOZLOWSKA kreiert wurde. Sie war in ihrem roten Kostüm wirklich hübsch anzusehen, leider neigt sie in der Höhe zu übertriebenen Vibrato. Als sie in der Schlußszene wieder aufs Deck kommt, und Michele ihr den Toten enthüllt, setzt sie sich neben ihn und ergreift seine Hand – der einzige Glanzpunkt der Inszenierung.

Kommen wir zur zweiten, leider merklich gekürzten Oper: Barbara DOBRZANSKA ist eine exzellente Angelica, der mit Federica PROIETTI auch eine herausragende Tante gegenüber steht. In ihrem Dialog wird selbst die Fürstin manchmal weich, empfindlich, wenn sie von dem toten Sohn oder ihrer toten Schwester redet, während Angelica mit aller Härte und Schärfe Auskunft fordert. Die Nonnen unter ihrer Äbtissin Anna PORTIKA geben zwar eine solide Grundatmosphäre, fallen aber nie wirklich auf. Das Orchester leuchtet hier in allen Farben, so daß man meint, eine impressionistische Partitur vor sich zu haben. Musikalisch ist dies bestimmt der Höhepunkt des Abends, die Regie aber, die Angelica sogar die Marienvision vorenthält, wirkt eher weniger überzeugend.

Nach der Pause schließlich das Herzstück der Inszenierung: Bevor noch die Musik anfängt, geht bereits der Vorhang hoch, und man sieht eine Horde Italiener, die sich rund ums Lager des im Sterben liegenden Buoso breitgemacht haben, sich sonnen, Fußball schauen – bis schließlich der Alte seinen letzten Schnaufer macht, die Musik einsetzt, und alle untersuchen, ob er auch wirklich ganz tot ist.

Aus dem Ensemble ragen Anna Portika als vettelige Zita, Melinda PARSONS’ Nella als italianisierter Abklatsch einer schrillen amerikanischen Serien-Mum, die fortwährend Spaghetti kocht, die niemand außer ihrem Ehemann Gherardo (Martin FOURNIER) essen will, der pompöse Simone (Kostantin SFIRIS mit profundem Baß) und Fran Lubahns Ciesca heraus.

Chefkomödiant und auch stimmlich der Beste ist allerdings Gianni Schicchi, der von Marco DI FELICE gespielt und gesungen wurde. Er ließ wirklich keine Wünsche offen. Eher zu vergessen war hingegen das Liebespaar (Ann-Helen MOEN in Sekretärinnen-Look und Andries CLOETE in weißem Anzug), das sich weder stimmlich noch darstellerisch profilieren konnte; besonders Cloete als Rinuccio war unpassend.

Fazit: Eine der besten Aufführungen der Ära Stone. Hoffentlich gibt es in ein paar Jahren eine Wiederaufnahme. Martin Michael Bauer