„DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“ - 15. Oktober 2004

“Sturm tobt in Seelen und im Saal im Seelendrama der Gestrandeten

Der Intendant nimmt mit der Premiere „Der fliegende Holländer“ künstlerisch Abschied. Das war also die Abschiedspremiere des Kay METZGER: Stürmischer Applaus versuchte die Buh- und Pfui-Rufe für den Regisseur und scheidenden Intendanten zu übertönen. Bereits während der Vorstellung gab es Unruhe und lautstarke Unmutsbekundungen von „Herr Metzger, Sie kriegen Wagner nicht tot“ bis „Schmierentheater“ (und „Schade um die Sänger, bei diesem intellektuellen Dünnschiß“).

Metzger war in der Nach-Krug-Ära der einzige Intendant, der immer wieder versuchte, sich durch eigene Inszenierungen künstlerisch zu profilieren. Warum die Emotionen nun bei „Der fliegende Holländer“ so schwappten, ist nicht ganz nachzuvollziehen, könnte aber eine große Dialog-Chance für das Haus sein.

Kay Metzger inszeniert die Wagnersche Urfassung (ohne Pause) konsequent weg von maritimer Opulenz hin zu einem Seelendrama. So erlebt das Publikum im Kino-Foyer der fünfziger Jahre (Ausstattung: Michael HEINRICH) eine Parade der wie auch immer Gestrandeten. Sentas (Sabine HOGREFE a. G.) Helden stammen aus den plakatierten Filmen zwischen „Opfer einer großen Liebe“ und „Der Fluch der Verdammten“ und zeichnen das Ende ihres konsequenten Ausbruchsversuchs aus den Fesseln ihrer Scheinwelt vor. Sabine Hogrefe mit ihrem wunderbar timbrierten Sopran singt eine Senta voller vokaler Eindringlichkeit und emotionaler Farbigkeit, kraftvoll in ihrer Dramatik und sicher bis in die kompliziertesten Hochtöne schlägt sie flexible Gesangsbögen.

Kai GÜNTHER linderte als Holländer mit unangestrengtem Forte seines angenehm strömenden Baritons und darstellerischer Faszinationskraft den Schmerz der Alt-Wagnerianer im Zuschauerraum. Im berühmten Holländer-Duett beweist er stimmlich kraftvolle Intensität.

Einen Erik dem das Selbstmitleid zuweilen auch den tenoralen Glanz zu nehmen scheint, gibt Alec OTTO. Er ist aber wie Gerlind SCHRÖDER als Mary, der sichere Baß von Klaus-Uwe REIN (Daland) und der als Steuermann äußerlich etwas mager wirkende Xiantong HAN Garant des musikalischen Erfolges.

Weder der bekannte Chor der Spinnerinnen, die bei Metzger stricken, noch der Auftritt der Matrosen entgleiten in der sauberen Einstudierung von Marbod KAISER zu zweifelhaften Folklorehits. Johannes RIEGER beweist im Orchestergraben, daß Wagners Kraft der Musik trotz Opulenz und räumlicher Enge zweifelsohne Nuancierung zuläßt. Er folgt dabei den Intensionen des Regisseurs und forciert trotz aller Dramatik die Tempi nicht übermäßig. Uwe Kraus