"FRA DIAVOLO" - 12. November 2006

Daniel-François-Esprit Auber, 1782 in Caen geboren, starb mitten während der Revolution der Commune 1871 in Paris. In seinem fast neunzigjährigen Leben hatte er noch einige Revolutionen, Putsche (zwei, von Napoleon I. und III.) und zahlreiche Kriege erlebt. Er begann, sehr jung zu komponieren, doch sein Vater schätzte das nicht sonderlich und schickte ihn 1802 zu einer kaufmännischen Lehre nach London. Nach seiner Rückkehr ging er zuerst zu Cherubini und nahm Privatstunden in Komposition. Auber begeisterte sich bald für den zehn Jahre jüngeren Rossini, von dem er die Accellerandi lernte. Eines ist am Ende des 1. Akts des "Fra Diavolo" zu hören. Im 2. Akt ist das sehr gelungene Männerquintett eine Kuriosität.

Er verband sich dann mit Scribe, der für Auber nicht weniger als 38 Libretti zu dessen über fünfzig Opern verfaßte, natürlich auch "Fra Diavolo". Scribe konnte man damals nicht entkommen, denn er hat über fünfhundert Theaterstücke, Opernlibretti, Vaudevilles und Schwänke produziert - nicht geschrieben. Scribe hatte eine richtige Firma von Schreiberlingen, die seine Ideen ausarbeiteten. Außer Auber waren auch Bizet, Boieldieu, Donizetti, Halévy, Meyerbeer, Rossini u.v.a. seine Kunden. Er verhandelte auch die Verträge mit den Theatern. Scribe inszenierte meist seine eigenen Stücke selbst und war der Gründer der französischen Autorengesellschaft.

Obwohl Auber mit "Die Stumme von Portici" 1828 die "Grand Opéra" begründete und weltberühmt wurde, ist der sehr diskrete Komponist, der Pferde und schöne Frauen liebte, heute praktisch vergessen. Das Ensemble "Amour Sacré de la Patrie" der "Stummen" löste 1830 in Brüssel die belgische Revolution aus. Auf deutschsprachigen Bühnen wurde "Fra Diavolo" (1830) noch nach dem 2. Weltkrieg gespielt.

Das rührige Théâtre Français de Musique spielt im neoklassischen Théâtre Impérial in Compiègne (mit fabelhafter Akustik) seit ca. zwanzig Jahren wenig bekannte französische Opern. Diesmal war es "Fra Diavolo", natürlich auf einen Text von Scribe. Wie immer, hat der künstlerische Leiter Pierre JOURDAN inszeniert und der flotten Intrige, voll von Absurditäten, das nötige Tempo und den Schwung für einen sehr netten Abend eingeflößt. Das ORCHESTRE FRANÇAIS ALBÉRIC MAGNARD, das Kammerorchester der Picardie, wurde von Michel SWIERCZEWSKY, einem Spezialisten dieses Repertoires, mit großem Schwung und bester Einfühlung für die Sänger geleitet. Da die Handlung von Räubern und Gendarmen handelt, ist die Musik oft recht martialisch. In der Ouvertüre gibt es bereits ein brillantes Trompetensolo, das mehrmals wiederholt wird. Die von Jean-Pierre CAPEYRON konzipierte, phantastische Szenographie und die hübschen, kleidsamen Kostüme wurden in Metz fabriziert, wohin diese Koproduktion übersiedelt ist.

Zwei in Compiègne oft beschäftigte Sänger in den Hauptrollen dominierten die Besetzung. Isabelle PHILIPE als Zerline ist eine ideale Verkörperung dieser dramatischen Koloraturrolle. Ihre angenehme, sehr gut geführte Stimme trägt ausgezeichnet, und sie singt innig ihre Liebe zu ihrem armen Carabinieri Lorenzo. Die intelligente Sängerin spielt die Rolle nicht als larmoyante Soubrette, sondern geschmackvoll dezent.

Philipe DO in der Titelrolle brachte seinen geschmeidigen und sicheren Tenor in dieser Rolle bestens zur Geltung. Er hat keinerlei Schwierigkeiten mit den Höhen - er singt hohe Cs pianissimo in seiner großen Arie im 3.Akt "Je vais marcher sous ma bannière" - und spielt den Lebemann und Räuberhauptmann blendend. Denn er will ja nicht nur das Geld, sondern auch Zerline und Lady Pamela verführen. Anne-Sophie SCHMIDT, wie immer sehr stimmfest, war als Pamela eine verrückte, spleenige Engländerin, die Abenteuer verabscheut.

Nicht überraschend, denn ihr Gatte ist ein steinreicher, langweiliger Lord, "der nie lacht", von Franck CASSARD ausgezeichnet gespielt. Mathias VIDAL als Carabinieri Corporal Lorenzo hat eine darstellerisch und stimmlich schwere Rolle. Er muß auf Zerline eifersüchtig sein, denn Fra Diavolo hat ihm erzählt, daß er mit ihr ein Rendezvous habe, und weiters einige schwierige Arien meistern, die ein sehr umfangreiches Register erfordern. In der Tiefe ist er allerdings fast unhörbar.

Die beiden Komplizen spielten Lionel MUZIN (Beppo) und Paul MÉDIONI (Giacomo) zwischen Bettler und Wegelagerer und sangen ihre Rollen passend.

Großer Erfolg des begeisterten Publikums für einen fröhlichen, entspannenden Abend. wig.