"DON GIOVANNI" - 31. März 2006

Es war mein zweiter Besuch in Frankfurt, um in die Oper zu gehen, und es war auch dieses Mal einer jener raren magischen Abende. Wenn dies das normale Niveau des Frankfurter Opernhauses sein sollte, kann man nur sagen: "Glückliches Frankfurt!"

Peter MUSSBACH, in Personalunion Regisseur, Bühnenbildner und für das Licht verantwortlich, setzt vor allem auf Lichteffekte und Personenführung. Wenn mit beidem so virtuos gearbeitet wird, dann ist ein karges Bühnenbild eher von Vorteil, da es nicht ablenkt. Es gibt gelegentlich angedeutete Häuser, die bewegt werden, aber der Fokus bleibt auf den Figuren, die sehr sorgfältig gearbeitet wurden.

Giovanni wird relativ brutal gezeichnet, der Tod des Komturs ist alles andere als ein Unfall, im Finale des ersten Aktes entkommt er, da er eben einmal Zerlina als Geisel nimmt, und überhaupt ist er sehr schnell mit dem Messer zur Hand. Aber trotzdem gelingt es Mussbach, die Figur nicht gänzlich unsympathisch herüber kommen zu lassen. Man versteht, wieso die Frauen trotz allem immer und vor allem immer wieder auf Giovanni fliegen. Dazu kommen zahlreiche clevere Einfälle, so das Verschwinden der Leiche des Komturs von der Bühne, das fast wie ein Zaubertrick wirkt, die Szene auf dem Friedhof zwischen Ottavio und Anna, die sich jeder auf einer Seite einer in der Mitte durchbrochenen Brücke befinden, und vor allem die Höllenfahrt mit viel Feuerzauber. Insgesamt kommen weder Dramma noch giocoso zu kurz, denn es gibt viel Gelegenheit, auch einmal befreit aufzulachen.

Saskia BLADT ist es zu danken, daß die Produktion in der 60. Vorstellung so frisch wirkte, als habe sie gerade erst Premiere gehabt. Die Kostüme von Joachim HERZOG sind eine echte Augenweide, zeitlos schön, kleidsam, abwechslungsreich. Und es ist nie ein Fehler, einen attraktiven Schurken ganz in Schwarz zu kleiden...

Die Frankfurter Oper gönnte sich für diesen einen Abend Lucio GALLO als Giovanni, und der tat alles, um die Bezeichnung des Abends als "Gala" zu rechtfertigen. Mit der eleganten Geschmeidigkeit und Gefährlichkeit einer Raubkatze umgarnt er seine Opfer. Seine Sprachbehandlung war wie immer vorbildlich, selbst ohne Italienischkenntnisse hätte man jedes Wort verstehen können. Auch nachdem Gallo mittlerweile mehr dramatischen Verdi und Wagner singt, und der Bariton über ein entsprechendes stimmliches Volumen verfügt, besitzt die Stimme die alte Virtuosität für eine halsbrecherisch schnell genommene Champagner-Arie und ein schmeichelndes, mit vielen pianissimi gespicktes Ständchen.

Soon-Won KANG war ein kongenialer Leporello. Vielleicht war die Stimme zu Beginn ein wenig trocken, was sich aber schnell legte. Beweglich in jeder Beziehung tobte er über die Bühne, proletarisches Abbild seines eleganteren Herrn statt alberner Clown. Sehr hübsch war seine Beziehung zu Elvira gearbeitet, bei der man durchaus auf die Idee kommen konnte, daß zwischen beiden etwas möglich wäre, gäbe es nicht die Standesunterschiede. Juanita LASCARRO schaffte es, Donna Elvira weder als Rachefurie, noch als Trauerweide darzustellen. Hier stand einfach eine zutiefst verletzte attraktive junge Frau auf der Bühne, die um das kämpft, was von Rechts wegen ihr gehört. Die Stimme war, ohne je an Grenzen zu stoßen, von aufblühender Schönheit.

Obgleich Edgaras MONTVIDAS seinen Ottavio schauspielerisch sehr zögerlich und bedächtig agieren ließ, wie es der Rolle ja durchaus entspricht, war hiervon gesanglich nichts zu merken. Es war ein sehr viril timbrierter Tenor zu hören, der über das Mozart-Fach hinausweist, trotzdem aber mit den Koloraturen keinerlei Schwierigkeiten hatte. Eine sehr erfreuliche Begegnung. Der Komtur von Magnus BALDVINSSON war sowohl zu Beginn als auch im Finale von beeindruckender Autorität, was Stimme und Darstellung angeht, zumal er mehr wie ein Geist denn eine Statue wirkte, was die Szene nur stärker und lebendiger erscheinen ließ.

Für die Zerlina von Yana EMINOVA fällt einem eigentlich kein anderes Attribut als "bezaubernd" ein. Eine gut geführte junge lyrische Stimme, eine hübsche Erscheinung und eine Ausstrahlung mit der richtigen Mischung aus Unschuld und Gerissenheit, die Giovanni aufmerksam werden lassen muß. Zu Beginn ein wenig schüchtern wirkend war ihr Masetto Florian PLOCK, der jedoch schon bei seinem zweiten Auftritt deutlich an Selbstbewußtsein gewann und in seiner Verzweiflung über seine Machtlosigkeit rührte. Zudem ließ er einen schöntimbrierten Baß hören, der sicherlich zu Größerem berufen ist.

Einzig die Donna Anna von Hope BRIGGS fiel dagegen leicht ab. Sie bot schönes Material in der tiefen und mittleren Lage, aber sobald es in die Extremhöhen ging, wurden die Töne mitunter unsauber, was bei der ersten Arie unangenehmer auffiel als bei der zweiten. Es schien, als sei die Stimme mit der Partie (noch?) überfordert.

Christian ARMING zeigte im Graben, wie lebendig Mozarts Musik ist, ohne dabei jemals die Sängerfreundlichkeit zu vernachlässigen. Seine Tempi und dynamischen Abstufungen waren durchweg den jeweiligen Fähigkeiten und Wünschen der Sänger angepaßt, ohne daß er das FRANKFURTER MUSEUMSORCHESTER zur bloßen Begleitung herabwürdigte. Lediglich in der Ouvertüre hätten die Streicher einen Hauch präziser sein können. Positiv fiel die sehr lebendige Begleitung der Rezitative durch Hartmut KEIL am Hammerklavier auf, jegliche Trockenheit, die dieser Begleitung häufig innewohnt, war verschwunden. Der CHOR machte einen soliden Job. MK

P.S.: Ein besonderes Lob ist demjenigen zu zollen, welcher die Fechtszene zwischen Giovanni und dem Komtur choreographiert hat. Diese schien direkt aus einem Errol Flynn/Basil Rathbone-Filmduell entnommen und wurde auf diesem Niveau ausgeführt. Beeindruckend!