"GÖTTERDÄMMERUNG" - 11. Juli 2007

Dieser kleine Tiroler Erholungsort Erl, der bislang bekannt war durch seine Passionsspiele, entwickelt sich im Laufe der Jahre, wo man seit zehn Jahren dort alljährlich das Passionspielhaus für Opernaufführungen nutzt (Gründungsidee Prof. Dr. Gustav KUHN, künstlerischer Leiter, Dirigent und Regisseur), zu einem 2. Bayreuth. Auch hier gibt es schon naturgemäß einige grüne Hügel, die man auch innerhalb des am Berghang gelegenen Festspielhauses zu erklimmen versucht, und man kann dort, zumindest in dieser Saison, jeden Tag eine Oper von Richard Wagner in hervorragender musikalischer und sängerischer Qualität erleben.

Diesesmal war es leider nur möglich, aus München wegen der dortigen Opernfestspiele für eine Aufführung anzureisen, nämlich der "Götterdämmerung", die in einer schlichten werksgetreuen Inszenierung und Regie von Gustav Kuhn zu einem unvergeßlichen Erlebnis wurde. So wurde das ganze Haus einschließlich der Ortsansässigen mit in das Handlungsgeschehen einbezogen. Siegfried mit Tarnkappe am Gürtel (eine Art Tiroler Hut wohl als Referenz zum Festspielort) erschien am Hofe Gunthers in einem von der Erler Feuerwehr (verkleidet als Vassallen am Hof) getragenen Rheinschiff mit Holzpferd, und es gab das in dieser Oper so wichtige Feuer - keine Bange, man hatte ja die Feuerwehr vor Ort - und konnte die Handlung dadurch gut zeichnen. Das Bühnenbild, für das sich Jörg NEUMANN verantwortlich zeigt, und die Kostüme von Lenka RADECKY waren gut erdacht und unterstrichen sinnvoll das Handlungsgeschehen.

Besonders beeindruckend ist immer Gustav Kuhns Idee, das ORCHESTER hinter die Bühne zu postieren - hier sehr gut die beiden Solohornisten Julian ZBARCEA und Markus HÖLLER. Dadurch wird ein besonders weicher und melodischer Klang erzeugt, der durch das einfühlsame Dirigat von Gustav Kuhn noch unterstrichen wird, der auch jeden Abend bei diesem Wagnermarathon die Stabführung inne hat. So seelenvoll und ausdrucksbetont habe ich die Musik Richard Wagners lange nicht genießen können.

An diesem Abend stand ihm auch ein großartiges Sängerensemble zur Verfügung, Sänger, die sich der Schöpfer von Erl aus aller Herrenländer holt. Die Tenorrolle wurde von Jürgen MÜLLER sehr gut verkörpert, ein Siegfried mit sehr guten ausdrucksvollen kräfigen rollengerechten Tenorhöhen und guter Gestaltungsfähigkeit seiner Partie. Michael KUPFER als in der Brautnacht koksender Gunther - anfänglich eine Heino-Immitation mit Sonnenbrille und weißblondem Haar - zeichnete diese Partie bestdisponiert sehr gut.

Seine Schwester Gudrune, von Gertrud OTTENTAL gesungen, meisterte ihre Partie sehr ordentlich in dieser dekadenten Hofgesellschaft. Auszuzeichnen ist die Leistung des durch einen Sturz bei der Probe verletzten Hagen Andrea SILVESTRELLI, dessen Bass sich den sog. schwarzen Bässen anzugleichen versuchte. Thomas GAZHELI als Alberich vermochte in seinem kurzen Auftritt diese zwielichtige Figur stimmlich schon zu Beginn mit "Schläfst Du, Hagen, mein Sohn" als Drahtzieher des ganzen Geschehens charakterlich dämonisch zeichnen.

Die Brünnhilde mit Brigitte WOHLFAHRT zu besetzen, war ein Gewinn für diesen letzten Ringabend. Mit bei Wagner-Opern selten erklingenden weichen gefühlvollen und doch kräftigen Soprantönen und einer geglückten Darstellung dieser Figur wäre der Komponist äußerst angetan. Besonders beeindruckend Brünnhildes Schlußgesang "Starke Scheite". Waltraude mit wehendem Walkürenschleier, gesungen von Monika WAECKERLE, konnte ihre Erzählung rollengerecht nahe bringen.

Die drei schicksalwebenden Nornen Svetlana SIDOROVA DI SANGHI, Hale AL ORFALI und Susanne GEB zeichnete eine perfekte Stimmharmonie aus, was man bei den "japanischen "Rheintöchtern" Akiko HAYASHIDA, Junko SAITO und Taeka HINO ebenso empfand.

Einige der Auftretenden gehören der von Prof. Dr. Gustav Kuhn gegründete Accademia die Montegral an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die berufliche Weiterbildung von jungen Künstlern zu fördern. Eine besonderes Lob gilt dem CHOR DER FESTSPIELE ERL unter der Leitung von Jacek BEN - hier besonders beeindruckend die Chorleistung der Herren im 3. Akt.

Den totalen Untergang verhinderten spielende Kinder in Tiroler Landestracht, und die Rheintöchter spielten librettogerecht mit ihrem wieder erhaltenen Gold. Die Weltkugel dreht sich weiter...

In Erl finden finden Richard-Wagner-Freunde ihre Bleibe, zumal Bayreuth-Karten für Normalbürger selten (man wartet jetzt schon elf Jahre) zu bekommen sind. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Irene Stenzel