"TIEFLAND" - 11. Januar 2007

"Tiefland" war lange eine Rarität auf den Spielplänen, doch jetzt erlebt eine Renaissance. Nicht nur, daß sich diverse Opernhäuser auf einmal wieder für das Stück interessieren, auch finden sich plötzlich zahlreiche prominente Sänger und Dirigenten, die äußern, die Opern gerne aufführen zu wollen. Es wäre interessant zu klären, woher dieses Interesse kommt.

Anselm WEBER hat das Stück in eine moderne Mühle heutiger Bauart (Bühnenbild: Hermann FEUCHTER) verlegt, was ebensowenig weiter stört wie die entsprechenden Kostüme (Bettina WALTER). Ansonsten ist das Ganze brav vom Blatt inszeniert; richtigerweise ist das Augenmerk auf die Personenregie verlegt. Dabei sind die Figuren sehr genau gezeichnet. Ein sehr hübscher Moment ist der Schluß, wenn eines der Dorfweiber noch schnell die Rolex des toten Sebastiano mopst. Unverständlich ist allerdings die Moulin rouge-Nummer zu Martas Tanz im zweiten Akt nebst halb nackten Bauchtänzerinnen. Es ist nicht nachzuvollziehen, was der Regisseur uns damit sagen wollte, zumal es zur restlichen Inszenierung nicht wirklich zu passen scheint.

Man kann John TRELEAVEN als Pedro nicht absprechen, daß er sich engagiert. Er spielt sich fast wund, er schont sich stimmlich nicht. Problematisch ist dabei allerdings, daß er dabei für meinen Geschmack zu wenig legato singt, zu sehr wie deutscher Wagner-Tenor klingt. Zudem sind seine Höhen nicht optimal an den Rest der Stimme angebunden, werden mit zu großer Kraft herausgestoßen und klingen eng sowie teilweise kratzig.

Michaela SCHUSTER (Marta) ist stimmlich ohne jeden Tadel. Sie verfügt über eine große, in jeder Lage perfekt geführte Stimme, die nicht einmal an Grenzen stößt. Von der gesanglichen Seite her eine ganz große Leistung. Darstellerisch konnte ich allerdings nicht ganz mit ihr glücklich werden. Ein seit früher Jugend mißbrauchtes Mädchen vermochte ich ihr nicht vollständig abzunehmen, dazu wirkte sie zu urgesund. Sie hätte Sebastiano wahrscheinlich eher selbst mit bloßen Händen erwürgt.

Ihr Peiniger Sebastiano wird ideal von Lucio GALLO verkörpert. Bis zur letzten Szene ganz überheblicher Herr über alles, der mit allem durchkommt, kommt der vollständige Zusammenbruch umso heftiger. Gelegentlich blitzt unter der Oberfläche eine Besessenheit von Marta durch, die schon ins Pathologische neigt. Auch stimmlich macht der Bariton dies deutlich, von kommandierenden Fortetönen bis zu kaum hörbaren piani kommen sogar die Stimmungsschwankungen der Figur innerhalb einer einzigen Phrasen zum Ausdruck.

Es spricht für das Opernhaus Frankfurt, daß es in den kleineren Partien seine ersten Kräfte eingesetzt hat. Juanita LASCARRO ist als Nuri sehr kindlich, ohne dabei wie eine Erwachsene zu wirken, die ein Kind spielt. Sie singt und spielt einfach berührend und ohne jeden Makel. Magnus BALDVINSSON bewegt sich als Tommaso vielleicht ein wenig zu jugendlich, stimmlich bietet er imponierende Baßtöne und ist schlichtweg überzeugend.

Peter MARSHs Nando bleibt, obgleich er ja nur im Vorspiel auftritt, durch extreme Wortdeutlichkeit und gute Phrasierung sowie große darstellerische Präsenz, in Erinnerung. Die drei "Hexen" (die Dorfweiber Antonia, Pepa und Rosalia) sind durch Claudia MAHNKE, Sonja MÜHLECK und Elzbieta ARDAM auf kaum überbietbar hohem Gesangsniveau besetzt, dazu waren sie auch noch wunderbar zickig.

Lediglich Gérard LAVALLE (Moruccio/eine Stimme) kann mit seiner an einigen Stellen einfach flach und ausgesungen klingenden Stimme nicht mithalten; als Type ist er allerdings exzellent.

Das ohne jeden Tadel spielende FRANKFURTER MUSEUMSORCHESTER schwelgt unter der Leitung von Sebastian WEIGLE durch die Partitur. Weigle schafft es, sogar die leicht operettig klingenden Teile der Partitur aufzuwerten. Ansonsten läßt er die Leidenschaft lodern, man versteht sofort, daß das Stück ein Herzensanliegen von ihm ist. Ein Sonderlob gebührt der Soloklarinettistin Martina BECK, die ihre Soli im Vorspiel sogar auf der Bühne absolvieren durfte. Der CHOR erledigt seine Aufgaben kompetent. MK