"IL TROVATORE" - 20. Februar 2008

Da verschlägt einen der Beruf ins südthüringische Meiningen, man beschließt, sich bei der Gelegenheit das hochgerühmte Theater anzusehen, und erlebt ein - zumindest musikalisches - kleines Theaterwunder. Da sind in dieser schwer zu besetzenden Oper sämtliche Partien weit mehr als rollendeckend besetzt, und auch die Leistungen von Orchester, Chor sowie das Dirigat können sich hören lassen.

Es ist kaum zu entscheiden, welchem der Sänger eigentlich die Krone des Abends gebührt. War es Iva IONOVA (Leonora), die sich zwar vor der Vorstellung ansagen ließ, jedoch bis auf ein paar vorsichtig genommene Spitzentöne im piano keine Einschränkungen erkennen ließ? Mit einem apart timbrierten Sopran, sicheren Koloraturen und trotz der Zeichnung der Figur durch die Regie zu keinem Zeitpunkt lediglich duldender Miene stellte sie eine entschlossene, kämpferische junge Frau auf die Bühne.

Oder war es Rita KAPFHAMMER als Azucena, einziger Gast in dieser Produktion, die mit nicht riesiger Stimme, dafür jedoch kluger Phrasierung ohne einen einzigen angestrengten Ton die Partie durchmaß? Für die eigenwillige Interpretation der Rolle durch die Regie konnte sie nichts, es wäre jedoch wünschenswert, sie einmal in einer Inszenierung zu hören, wo sie die Flammen tatsächlich lodern lassen kann.

Auch bei den Herren gab es keine Ausfälle. Dae-Hee SHIN hat alles für den Luna: einen gutgeführten, mit großer Legatofähigkeit versehenen Bariton, die Verve für die Cabalette und Ensembles und eine bühnenbeherrschende Präsenz, mit der er keinen eindimensionalen Schurken, wie von der Regie vorgesehen, sondern einen facettenreichen Charakter darstellt. "Il balen" war mit Sicherheit ein Höhepunkt dieses an Höhepunkten nicht gerade armen Abends.

Xu CHANG kann den Manrico singen. Das allein ist schon erfreulich genug. Es ist nicht nur, daß er zu phrasieren weiß, niemals brüllt und ohne zu forcieren alle Töne hat, er kann es sich auch noch leisten, die "Stretta" (zweistrophig!) nicht nur abzuliefern, sondern sogar zu gestalten. Auch muß er die langen Bögen von "Ah si, ben mio" nicht fürchten. Daß sein Timbre mich nicht unmittelbar ansprach, ist eher mein als sein Problem.

Nicht zuletzt Jörn E. WERNER, der als Ferrando diesen musikalisch eindrucksvollen Abend eröffnen durfte, trug mit großer, aber immer kontrolliert eingesetzter Stimme, schönen Nuancierungen und erfreulicher Bühnenpräsenz zum Erfolg bei.

Die kleinen Rollen hielten dieses Niveau fast durchgehend mit Girn-Young JE als sonorer Inez, Sang-Seon WON als präsenter alter Zigeuner und als Dongeon KIM bemerkenswert schönstimmiger Bote. Nur Silvio WILD als Ruiz fiel ab.

Der CHOR (Leitung Sierd QUARRÉ) meisterte seine umfangreichen Aufgaben sehr gut und bewies, daß auch der Zigeunerchor unfallfrei über die Bühne gebracht werden kann. Das Ganze wurde geleitet von der jungen Kapellmeisterin Elisa GOGOU, die mir seit langer Zeit einmal wieder einen kompetent dirigierten "Trovatore" zu Gehör brachte. Zu Beginn wählte sie eher langsame Tempi, ohne dabei spannungslos zu sein, und steigerte später die Geschwindigkeit, wobei sie immer sängerfreundlich blieb und Graben und Bühne problemlos zusammenhielt. Die MEININGER HOFKAPELLE folgte ihr dabei bedingungslos und ohne jeden Verspieler.

Die Inszenierung von Aron STIEHL kann man in Teilen unter dem Prinzen-Song "Alles nur geklaut" abhaken. Da finden sich Versatzstücke aus der "Trovatore"-Inszenierung von Hans Neuenfels an der DOB (Klosterbild! Finale!), Bildern aus Abu Ghraib (Azucenas per Photos festgehaltene Demütigung in der ersten Szene des dritten Aktes als "Kapuzenmann") sowie Lunas Soldaten in franquistischen Uniformen, den Zigeunern als Zwangsarbeitern mit rotem Quadrat auf der Brust und Leonora als madonnengleiche Lichtgestalt (Ausstattung Jürgen Franz KIRNER). So weit, so fad und ignorierbar.

Wie meist in derartigen Fällen ist von einer durchdachten Personenregie nicht wirklich etwas zu entdecken. Azucena als ihren Sohn manipulierende Rächerin ist als Idee solange diskutabel, bis man überlegt, weswegen sie, wenn sie denn genau weiß, was sie tut, ständig Wahnvorstellungen von Flammen äußert. Ferrando als hochdekorierter und mehrfach verwundeter alter Haudegen hat immerhin zwei publikumswirksame Auftritte aus dem Zuschauerraum.

Völlig unverständlich ist, warum Manrico eigentlich ständig durch Projektionen von Pilzen begleitet wird. Was soll das dem Zuschauer sagen? "Geh, stell dich unter einen Pilz?", weil der Tenor nicht gerade über riesenhaften Wuchs verfügt? Oder sollte es ein Beitrag zum fünfzigsten Geburtstag der Schlümpfe werden? Die Ratlosigkeit der Rezensentin hierüber hält noch immer an. MK

P.S.: Du weißt, es gibt "Trovatore", wenn ein Engel sinnlos über die Bühne läuft, und zwei kleine Jungs aufeinander losgehen…