"PIQUE DAME" (konzertant) - 6. Februar 2012

Das Mariinsky-Theater aus St. Petersburg gibt sich die Ehre einer Gastspielreihe in Frankfurt mit den großen Highlights der russischen Opernliteratur. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen kann.

Da der große Saal der Alten Oper ein reiner Konzertsaal ist, wurde die Oper konzertant aufgeführt. Die Einzige, die so etwas wie Kostüme trug, war Lisa, deren Kleider von Akt zu Akt auffälliger wurden. Die Dramatik bleibt in so einer Aufführung leider ziemlich auf der Strecke. Zwar erwiesen sich einige der Sänger als ausgezeichnete Schauspieler, aber grade die Todesszenen waren so unspektakulär, dass man sich stellenweise fragte, wann und warum genau z.B. die alte Gräfin überhaupt starb.

Das ORCHESTER DES MARIINSKY-THEATERS unter der Leitung von Valery GERGIEV schien eine große Freude daran zu haben, endlich einmal nicht im Orchestergraben zu sitzen. Ich bin wirklich nicht sicher, ob es am Saal oder am Orchester liegt, aber ich habe selten ein so klares Opernorchester gehört. Der Chor (Einstudierung: Andrei PETRENKO) und Kinderchor (Dmitry RALKO) konnten ebenfalls brillieren. Außerdem macht es unglaubliche Freude, Gergiev beim Dirigieren zuzusehen, da er jeden Ton mit den Fingern zu formen scheint.

Die kleinen Rollen waren durchgängig gut besetzt: Olga TRIFONOVA (Chloe), Elena VITMAN (Gouvernante), Maria UVAROVA (Masha) und Alexei TANOVITSKI (Narumow) ließen alle nichts zu wünschen übrig. Nikolai GASSIEV als Tschaplitzky und der Festordner fiel vor allem als Letzterer positiv auf.

Sergei SEMISHKUR als Tschekalinsky und Yuri VOROBIEV als Surin spielten die spöttischen Kommentatoren so überzeugend, daß einem Herrmann allein schon wegen der Wahl seiner Freunde leid tun konnte. Auch sängerisch bildeten die beiden eine Einheit.

Alexandrs ANTONENKO als Hermann enttäuschte leider stellenweise ein wenig. Einige Momente gab es, in denen er im Orchester unterging; er blieb selbst für eine konzertante Aufführung zu steif. Nur sein Gesang vermochte größtenteils zu bewegen, auch wenn ich das Gefühl nicht loswerde, daß er mehr als einmal aus der Rolle fiel; so unbewegt, wie er manchmal sang.

Ekaterina SEMENCHUK als Polina und Daphnis glänzte vor allem als Erstere im zweiten Akt, sowohl im Duett als auch in der Soloromanze. Erfreut habe ich mich am meisten am Klang ihrer glatten und recht weichen Stimme. Auch schauspielerisch fiel sie auf; gerade neben einer hoffnungslos überdramatischen Lisa.

Vladimir MOROZ spielte und sang den Fürsten Jeletzky so kalt wie sein Nachname. Sängerisch wußte er zu beeindrucken; gerade Herrmann war im letzten Akt neben ihm ein wenig verloren. Man fragt sich schon, warum Lisa ihn nicht dem ewig mißgelaunt schauenden Hermann vorzog.

Maria GULEGHINAs Lisa klang schon ein wenig zu dramatisch und erwachsen für das junge Mädchen, das sie darstellen sollte. Ich muß zugeben, daß mich ihr überdramatisiertes Operndiva-Gehabe und ihre scheinbare Lieblingsgeste (Hand aufs Herz mit schmachtendem Gesichtsausdruck) vor allem amüsierte, und es mir teilweise schwer machte, sie ernst zu nehmen. Ihr ausdrucksstarker Gesang machte das jedoch wieder wett.

Nikolai PUTILIN als Graf Tomsky und Plutus fiel vor allem als der beste Schauspieler des Abends auf. Sowohl sein Verhältnis zu Herrmann als väterlicher Freund wie auch seine leicht ironische Erzählung im ersten Akt waren sehr überzeugend. Aber auch sängerisch konnte er begeistern, und seine Erzählung über die Geschichte der alten Gräfin gehörte zu den absoluten Höhepunkten und erhielt sehr verdienten Szenenapplaus.

Die größte Freude des Abends war jedoch sicherlich Irina BOGACHEVA als die alte Gräfin. Sie spielt die alte Dame einfach und ohne Schnickschnack, aber gerade dadurch mit einer gewissen Würde. Den Hausdrachen gegenüber den Dienstboten konnte ich ihr allerdings nicht so ganz abnehmen. Musikalisch war sie nah an perfekt; gerade in dem französischen Lied gelang es ihr eine Spannung aufzubauen, die man darin kaum vermutet.

Meine hohen Erwartungen an dieses renommierte Opernhaus wurden nicht enttäuscht, und abschließend kann ich nur sagen, daß sie gerne etwas länger hätten bleiben können. NG