"I VESPRI SICILIANI" - 5. Oktober 2006

Eine Gesundheitsoper, nicht nur für die Darsteller. Um der Langeweile der Inszenierung zu entrinnen, beginnt man die Stufen zu zählen, die der Tenor, der Sopran in dieser seltsam unmöglichen Inszenierung von Herbert WERNICKE zu bewältigen haben. Die Sänger hatten körperliches, ich geistiges Training.

Man wird ja immer wieder mit den eigentümlichsten Inszenierungen und Bühnenbildern konfrontiert. Warum, wieso, was das eigentlich für einen tieferen Sinn hat, das erfährt man nicht, das wissen vermutlich die Verursacher selbst nicht. Die Bühne wird für den ganzen Handlungsablauf von einer riesigen Treppe dominiert, so daß man von vielen Plätzen (Balkon und Galerie) das Ende derselben gar nicht einsehen konnte. Das Miniboot des in Palermo gelandeten Procida wird von Getreuen über die Treppe gezogen und seitlich abgeführt, wohin? Es gibt bei dem Bühnenbild/Inszenierung eigentlich nichts, woran man Gefallen finden könnte. Und dann erlebt man noch eine Wiederaufnahme von zweifelhafter, nicht beglückender Qualität. Es kamen neue Sänger zum Einsatz, es klang alles vielversprechend, aber die Realität zeigte anderes.

Die junge Sopranisten Sandra RADVANOVSKY debütierte in Wien in der Rolle der Elena. Eine schöne Mittellage und Tiefe, aber die Höhe fand ich nicht sehr harmonisch. Gute Technik, gute Erscheinung und durchaus engagiertes Spiel ergaben eine gute Leistung.

Leo NUCCI als Montforte bot eine solide Leistung, aber ist nicht ein Strahlemann in dieser Rolle. Grundsätzlich bedauerlich, daß für diese Rolle kaum Alternativen zu Nucci und Bruson gibt, oder aber man sie nicht an die Staatsoper engagiert.

Francesco CASANOVA, ein italienischer Hoffnungsträger, dem ein sehr guter Ruf vorauseilt, welcher stimmlicherseits bestätigt werden konnte, sonst fällt er aber eher in die Kategorie Stehtenor (unter Umständen fällt das aber in einer anderen Inszenierung besser aus). Leider ließ auch die Optik den Zuseher leiden und fürchten. Fürchten, daß die Stufen für ihn zum Stolperstein werden könnten, leiden, denn die ohnedies unglücklich voluminöse Figur ist noch höchst peinlich eingekleidet worden. So war man irritiert und eigentlich der Eindruck ein zwiespältiger.

Roberto SCANDIUZZI, den ich schon in vielen anderen Aufführungen schätzen gelernt hatte, enttäuschte mich diesmal als Procida. Der Ohrwurm "O tu Palermo" wurde wenig eindringlich gesungen, und die Stimme klang unrund und rauh. Vielleicht ein schlechter Tag.

Die Kleinrollen waren alle gut gesungen. Dan Paul DUMITRESCU, Ejirio KAI, Nadia KRASTEVA, Clemens UNTERREINER und Peter JELOSITS verdienen als Ensemblestützen Lob. In dieser Inszenierung muß man dem Chor, geleitet von Ernst DUNSHIRN Bewunderung aussprechen, denn singend treppauf, treppab gehen ist auch nicht gerade leicht.

Fabio LUISI, ein Dirigent, der immer sehr differenziert das Orchester geleitet hatte, tat dies an diesem Abend zwar mit viel Elan, eigentlich aber mit zuviel, denn die Lautstärke des Orchesters überlagerte die Sänger.

Alles in allem also kein Abend, der einen einheitlich guten Eindruck hinterlassen hätte, der Applaus bestätigt das auch. EH