"LA SOMNAMBULA" - 22. Oktober 2006

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein Star noch keine gute Opernaufführung.

Anna NETREBKO, "der Star", sang an fünf Abenden "La Somnambula", ein nicht sehr beliebtes Werk und noch schwieriger zu besetzen. (aber durch sie waren alle Vorstellungen hundertprozentig ausverkauft). Sie debütierte in der Rolle und sogar recht erfolgreich. Ihre Amina war über weite Strecken natürlich, man glaubte ihr die Unschuldigkeit, sie wirkt. Interessant war es festzustellen, daß die Stimme ohne Umwege über Mikrophone ganz anders klingt. Die Mittellage ihrer Stimme ist sehr breit, warm und sicher, in den Höhen und den Koloraturen läuft nicht immer alles ganz glatt ab. Aber das ist bei der schwierigen Rollen auch nur schwer zu erreichen, und da muß man als Zuhörer ein Ohr ein bißchen zudrücken, auch daß sie ihre eigenen Tempi hatte...

Aber wenn die großen Rollen nicht auf gleich hohen Niveau besetzt sind, fällt das Werk in einen Abgrund. Der Abend war gerade noch eine Gratwanderung. Der Tenor Antonino SIRAGUSA war kein ebenbürtiger Partner für Anna Netrebko, stimmlich sehr steif, schwach im Ausdruck, einzig die hohen Töne werden produziert . Leider ist auch die Stimme nicht sehr einschmeichelnd, und so gehen seine Arien und auch die Duette nicht unter die musikalische Haut des Zuhörers.

Der schönstimmige Michele PERTUSI konnte auch nicht überzeugen. Irgendwo fehlte ihm der Zugang zur Rolle. Die kleineren Partien waren mit Ensemblemitgliedern besetzt, allen voran Simina IVAN als verschmähte Lisa. Dadurch, daß sie schon bei der Premiere dabei war, ist ihr die Interpretation der Rolle besser geläufig als den importierten Hauptprotagonisten und war auch gesanglich auf der richtigen Linie. .

Janina BAECHLE als Teresa, Marcus PELZ als Alessio und Roland WINKLER der Notarius waren ideale Besetzungen.

Am Dirigentenpult stand Pier Giorgio MORANDI, der keine Linie finden konnte, einerseits versuchte er Feinheiten der Partitur herauszuheben, andererseits mußte er sich aber bemühen, die Kluft zwischen ORCHESTER und Bühne nicht noch größer werden zu lassen. Somit war der Klang etwas unstabil.

Erfreulich der CHOR unter der neuen Leitung von Thomas LANG. Sehr klangschön und perfekt im Einsatz.

Nicht verständlich war mir, warum Amina/Anna so eine häßliche blonde Perücke tragen mußte(angeblich auf Wunsch Netrebkos, um unschuldiger zu wirken, gut aber so unschön?). An die eigenartige Inszenierung von Marco Arturo MARELLI kann man sich auch nach mehrmaliger Betrachtung nicht gewöhnen.

Selbstverständlich gab es Ovationen für Anna Netrebko, auch Bravorrufe eines Einzelnen für Siragusa, was daraufhin Buhrufe auslöste.

Ich verließ das Haus mit der Erkenntnis, daß Anna Netrebko wohl für die nächste Zeit die Sängerin sein wird, die die Massen anzieht, egal welche Rollen sie singt, aber wenn man dem Star nicht die entsprechende Entourage gibt, wird das Interesse bald erlöschen. EH