"MANON" - 19. März 2007

Viel Trubel im Vorfeld dieser "Manon"-Produktion. Es war ja keine Geringere als Anna NETREBKO, die in der Rolle der Manon besetzt war. Ich habe mich lange Zeit gegen das PHÄNOMEN Netrebko gewehrt, denn die reinen Fernsehauftritte haben mich eigentlich nie so richtig überzeugt. Erlebt man sie allerdings auf der Bühne, dann ist der Eindruck doch ein ganz anderer. Die Stimme ist ein Faktum, die Bühnenpräsenz ein zweites.

Die Neuinszenierung von Andrej SERBAN ist, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, um Jahrhunderte versetzt und wurde in den zwanziger/dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts angesiedelt. Wie auch bereits bei seiner "Werther"-Inszenierung ist er angegriffen worden, weil teilweise überreizt, andererseits aber dem Werk nicht gerecht wird. Ich bin eigentlich nie erfreut, wenn die Werke in die Gegenwart versetzt werden. Kein Regisseur ist in der Lage, die Geschichte wirklich so umzuarbeiten, daß alles stimmt. Es kommt immer wieder zu Ungereimtheiten.

Auch die Sucht und der Zwang nach originellen Einfällen trägt ein weiteres dazu bei. Manches wirkt dann peinlich. In diesem Fall die aufdringlichen Nonnen im Kloster , um ein Beispiel zu nennen. Immerhin ein gewisser Teil entspricht ganz gut, und man leidet nicht, wenn man ein zweites oder drittes Mal das Werk anhört. Allerdings müßte die Besetzung so stimmig sein wie diese. Wie würde es bei Nachbesetzungen aussehen? Wer könnte Netrebko nachfolgen außer Netrebko?

Da ist die Latte wirklich sehr hoch gelegt. Anna Netrebko ist Manon. Sie ist das junge naive Mädchen, sie ist die Liebende, sie ist aber auch das laszive Weibchen, und sie stirbt sogar glaubhaft. Sie besticht mit angenehmen Timbre, hat in der Regel keine Problem mit den Spitzentönen und kann sich auch im Piano beweisen. Und was noch positiv wirkt, ist natürlich die Optik. Es wirkt keinen Moment peinlich, wenn sie leicht bekleidet auf der Bühne herumwirbelt.

Mit gewissem Zittern sah man vor der Premiere dem Auftritt von Roberto ALAGNA entgegen. Unbegründet, der Scala-Skandal Schnee von gestern. In Wien gab es sechs Abende keine Probleme. Roberto Alagna war ein prächtiger des Grieux . Stimmlich in guter Form (besser als bei der Premierenübertragung) setzt er totale Expressivität ebenso gekonnt ein wie ausgedehnte Piani. Darstellerisch ist er sehr bemüht, aber kann doch nicht ganz aus dem mächtigen Schatten der Manon heraustreten.

Ebenso so großartig wie die beiden Hauptdarsteller das ORCHESTER unter Bertrand de BILLY. Es wird sehr schillernd musiziert. Mal auftrumpfend , dann wieder zart fließend. Auch der CHOR unter der Leitung von Thomas LANG sang sehr differenziert.

Die Nebenrollen waren aus dem Ensemble gut besetzt, aber blieben doch verhältnismäßig blaß. Michael ROIDER als Guillot, In-Sung SIM als Bretigny, die drei Damen Simina IVAN, Sophie MARILLEY und Juliette MARS trällerten fröhlich. Ain ANGER als Vater des Grieux' und Adrian ERÖD als Lescaut stachen da etwas mehr heraus.

Ein brillanter Abend, der mit tosendem Applaus sowohl für die beiden Stars und de Billy als auch für das Ensemble endete. Bei einer "Repertoirevorstellung" zwanzig Minuten Applaus spricht schon für sich. EH