"LES CONTES D'HOFFMANN" - 15. Juni 2007

Wie vieles andere auch, gehören Offenbachs "Contes d'Hoffmann" zum bewährten Repertoire der Wiener Staatsoper. Die Besetzung mag wechseln, die Inszenierung (Andrei SERBAN) und Ausstattung (Richard HUDSON) bleibt über Jahre hinweg gleich - mehr oder weniger zumindest, aber soweit ich mich an meinen letzten "Hoffmann" im Jahre 2001 erinnern kann, sind diese Änderungen so minimal, daß man sie vernachlässigen kann.

Der Vorhang öffnet sich für den Prolog und läßt den Zuseher in einen sich nach hinten verjüngenden Raum blicken, dessen Wände von Kritzeleien und Schlieren bedeckt sind, als wären sie aus überdimensionalen Wirtshaustischen gemacht. Für die drei Akte öffnet sich dieser Raum dann jeweils und erlaubt es, die einzelnen Abenteuer mitzuerleben, bevor er sich für den Epilog wieder schließt. Der Aufbau des Werks als einer Folge von drei separaten Episoden mit einer Rahmenhandlung wird dadurch verdeutlicht. Auch die immer wieder auf der Bühne präsenten Studenten, Hoffmanns Zuhörer, unterstreichen diese Struktur.

Hoffmann (Marcus HADDOCK) ist praktisch von Anfang bis Ende auf der Bühne präsent und begleitet uns durch die spektakulär umgesetzte Traumwelt seiner Erlebnisse. Gesanglich speziell am Ende des Prologes etwas wacklig, verbesserte sich Haddock zusehends, und dafür, daß er sich (wie man durch einen Ansager vor dem zweiten Akt erfuhr) mit den Symptomen einer Allergie herumschlug, hielt er sich erstaunlich gut. Auch darstellerisch machte er sich nicht schlecht, speziell das Verhalten eines Betrunkenen gab er mit Authenzität und nicht ohne Komik wieder.

Hoffmann zu Seite steht seine Muse (Sophie MARILLEY), zumeist in der Gestalt seines Freundes Niklaus. Während sie ihre Rolle überzeugend spielte, blieb ihre gesangliche Leitung leider deutlich hinter der schauspielerischen zurück. Nicht nur tremolierte sie oftmals stark, ihr Timbre war auch speziell in den Höhen und in lauten Partien sehr scharf, geradezu schneidend.

Was wäre die Welt der Oper ohne ihre abgrundbösen Schurken? Für ihr Handeln brauchen sie keine Rechtfertigung, solange sie nur gut singen, und Franck FERRARI, der die Rolle des dämonischen Lindorf/Coppelius/Mirakel/Dapertutto spielte und in ihr die Woche zuvor sein Debüt an der Staatsoper gegeben hatte, konnte dies auf einem zumindest akzeptablen Niveau. Es fehlte ihm nicht an Stimmgewalt und Bühnenpräsenz, wohl aber manchmal an Gefühl. Gelegentlich kam er sehr hart an die Grenze zur brutalen "Röhre".

Die zweite Vierfach-Rolle kann als das komische Gegenstück zur Gestalt des Schurken angesehen werden. In ihr zu sehen war John DICKIE, der an diesem Abend ausnahmsweise einmal gerechtfertigter Weise für Inkompetenz bezahlt wurde. Seine Darbietung, vom albernen Diener bis zum erbärmlichen Gauner, war komödiantisch gelungen.

Höhepunkt des reichlich skurrilen ersten Aktes (komisch vor allem das überdimensionierte Skelett mit der Brille, das plötzlich durchdringend nach der sich selbst spielenden Harfe mit den Boxhandschuhen verlangte) war Jane ARCHIBALD in der Rolle der Olympia. Nicht nur sang sie ihre Koloraturen perfekt, sie hatte auch offensichtlich Spaß an der Rolle und verkörperte die mechanische Puppe glaubhaft. Dazu gab Michael ROIDER einen weltfremden Spalanzani.

Der zweite Akt spielte in einem düsteren Zimmer, das dominiert war von einem riesigen Schattenriß-Porträt von Antonias verstorbener Mutter (die dann in Gestalt von Margareta HINTERMEIER wie eine Traumgestalt auf der Bühne erschien) und einem schwarzen Flügel, der je nach Beleuchtung an einen Sarg gemahnte. In dieser tristen Umgebung irrten Antonia (Simina IVAN, gesanglich akzeptabel aber mit reichlich affektierter Gestik während des Duetts mit Hoffmann) und ihr Vater, Crespel (Walter FINK bot eine solide Leistung) scheinbar verloren, während Ferrari als Mirakel das Geschehen klar dominierte und stimmlich und darstellerisch einen klaren Höhepunkt erreichte.

Im dritten Akt enttäuschte Ricarda MERBETH als Giulietta, sie blieb eine sehr blasse Gestalt, der man die verführerische Kurtisane kaum abnahm. Nicht nur gesanglich, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes ebenso blaß war Schlemihl (In-Sung SIM): ganz in weiß gekleidet und auch komplett weiß geschminkt. Klar, er hat seinen Schatten verloren, aber muß er deswegen gleich aussehen wie der Mann im Mond? Dapertutto saß über weite Strecken im Rollstuhl, was ihm doch einiges von der in der Rolle angelegten dämonischen Präsenz raubte, und so war die schillerndste Gestalt auf der Bühne ganz klar der Diamant.

Unter der Leitung von Bertrand DE BILLY spielte das ORCHESTER differenziert und mit Gefühl und rundete den Abend durchaus zufriedenstellend ab. Robin Röthlisberger