"ORPHEUS IN DER UNTERWELT" - 8. September 2007

Der Beginn der Saison 2007/2008 stand unter einem besonderen Stern, denn die Wiener Volksoper hat wieder einen neuen Prinzipal. Rudolf Berger hatte frühzeitig den Platz geräumt und Burgschauspieler Robert Meyer das Rennen um diesen Posten gemacht (der seit einiger Zeit als Schleudersitz bezeichnet wird). Nun, betrachtet man Programm und Planung, dann sieht soweit alles sehr positiv aus, und Publikum und die Medien scheinen dem neuen Direktor sehr wohlgesonnen.

Als Entree die Offenbach'sche Operette zu wählen schien zwar ein bißchen gewagt, aber nimmt man das Ergebnis, dann war es der richtige Schritt und eine gute Wahl.

Man kehrt auch wieder zu den deutschsprachigen Versionen an der Volksoper zurück, was ich persönlich nicht so ganz schätze, aber andererseits ist mir eine gute deutschsprachige Version dann doch lieber, als eine schwache Originalsprache.

Also "Orpheus in der Unterwelt" auf Deutsch, von Helmut BAUMANN sehr spritzig inszeniert und mit viel Freude am Detail. Gute Personenführung war auch gegeben, wenn auch diese nicht immer auf den fruchtbarsten Boden viel. Das Bühnenbild von Matthias FISCHER-DIESKAU war für das Auge gefällig und sorgte für einen raschen und reibungslosen Wechsel vom Hades zum Olymp und einem Zwischenstopp in terrestrischen Gefilden, mittels Lift. Was die Kostüme(Uta LOHER und Conny LÜDERS) angeht, so waren diese nicht ungefällig, aber für den einen oder anderen Darsteller nicht sehr vorteilhaft. Das ist etwas, was ich so nicht verstehe, denn man muß die Sänger ja nicht verschandeln.

Die Eurydike Jennifer BIRD war hier sehr im Vorteil. Ihre Optik ist auch in spärlichen Dessous im Hades einwandfrei und die stimmliche Rollengestaltung sehr respektabel. Wären da nicht ein paar scharfe Töne gewesen, wäre eine sehr guter Eindruck gewesen. Leider etwas enttäuschend der Orpheus von Sebastian REINTHALLER; sonst eine brillante Stütze des Hauses ob seiner sicheren Höhen konnte er nicht so strahlen, und darstellerisch blieb er hinter den anderen Kollegen einige Schritte zurück. Ich hatte den Eindruck, daß er leicht indisponiert war.

Man sollte hier überhaupt festhalten, daß die Schauspieler den Sängern den Rang abliefen. Robert Meyer kennt vom Theater her die Wichtigkeit Rollen auch typmäßig gut zu besetzen. So hatte er mit Peter MATIC als Styx einen Interpreten ausgewählt, der sprachlich glänzt, der die Pointen wunderbar setzen kann und eben ein feiner Komödiant ist. Und nebenbei kann er sogar noch singen, und das Couplet vom Prinzen von Arkadien war besonders charmant vorgetragen. Ihm gebührt der Oscar dieser Aufführung.

Auch die anderen Schauspieler glänzten, die öffentliche Meinung (mit der großartigen Schauspielerin Erni MANGOLD besetzt), war auf eine reine Sprechrolle reduziert, denn der spärlich produzierte Gesang hatte mit dem franz. Original nichts mehr gemein. Bei ihr wie auch beim Jupiter von Carlo HARTMANN waren verschiedene Sequenzen überzeichnet, aber das Publikum genoß dies.

Richtige Balancen gab es bei dem Pluto von Christian BAUMGÄRTEL, der ein eleganter Unterweltfürst war, bei Helga PAPOUSCHEK als Juno und Gerald PICHOWETZ als Cupido, eine Liebling der Wiener, der sogar einen kurzen Auftrittsapplaus bekam. Alle anderen Rollen waren ebenfalls gut besetzt.

Das Ballett wirbelte immer wieder zwischen den Szenen über die Bühne, der vom Publikum viel geliebte Cancan, fand zwar nicht statt, es war eine moderne Choreographie von Roswitha STADLMANN, aber nicht ungefällig.

Das Orchester unter Florian LUDWIG spielte frisch und auch inspiriert, den Sängern durchaus eine gute Stütze bildend.

Das Publikum nahm diese erste Premiere sehr wohlwollend auf. Es gab nur Akzeptanz, die sonst schon zur Routine gehörenden Buh-Rufe für Regie oder Bühnenbild blieben aus.

Die Vorstellungen des "Orpheus in der Unterwelt" sind seit der Premiere ausverkauft. Es wurden ob des großen Erfolges einige Vorstellungen eingeschoben, bzw. das Programm zu Gunsten des "Orpheus" sogar abgeändert. Im September 2007 erzielte die Volksoper Wien unter ihrem neuen Direktor eine höhere Auslastung als in als den letzten Jahren, 82 Prozent ist jedenfalls ein schöner Erfolg für den Anfang.

Die nächste Premiere wird "Tiefland" sein (in Kooperation mit der Oper Frankfurt). Von der Besetzung her sehr vielversprechend, wünschen wir der Volksoper einen eben solchen Erfolg wie der "Orpheus". EH