"TIEFLAND" - 13. Oktober 2007

Premiere Nummer zwei an der Wiener Volksoper:

Zwei Mal in Folge bei einer guten Premiere dabei zu sein, grenzt schon fast an ein Wunder. Doch es war so.

"Tiefland" hat mich und das restliche Publikum begeistert. Es war sogar so, daß ältere, sehr seriöse Herren nach den ohnedies schon starken Ovationen dann noch Bravorufe in den Saal schickten.

Ich selbst bin ja mit einiger Skepsis in die Vorstellung gegangen, denn meine Erinnerungen an "Tiefland" waren nicht berauschend. Als ich mit dem Werk in meiner Schulzeit im Rahmen eines "Jugendabonnements" beglückt worden bin, hatte ich keinen Zugang gefunden, und so hatte ich eher eine Aversion gegen das Werk. Aber man muß sich überwinden können, was ich tat, und es war gut so.

Wie sehr oft richtig, wurden Regisseur, Bühnenbildner und Kostümdesigner negativ beschallt, auch diesmal gab es wieder Buhrufe für das Trio, wobei man das schon etwas differenzieren müßte. Der Regisseur Anselm WEBER ist solide vorgegangen und hat die Sänger gut geführt; wenn Buhrufe angemessen gewesen wären, dann am ehesten für das Bühnenbild von Hermann FEUCHTNER, der die Berge nicht zuläßt, und den Rest in einer Fabrikhalle ansiedelt. Das erscheint mir doch sehr einfallslos und ist für die Darsteller auch nicht unbedingt angenehm oder förderlich.

Ähnlich ist das bei den Kostümen von Bettina WALTERS, ich verstehe noch immer nicht, wieso man den Sängern, die allesamt keine Models sind (und nicht sein sollen), nicht Kostüme anmißt, die ihnen stehen, und sie vorteilhaft aussehen lassen.

Sieht man nun davon ab, hatten wir einen hervorragenden Abend. Und schlußendlich war es doch das wichtigste, daß der musikalische Teil den Erwartungen entsprach.

Die drei Protagonisten: Martha (Heidi BRUNNER), die sich nun vom Mezzo zum dramatischen Sopran wandelt, der allerdings manchmal ein bißchen schrill klingt, war von starker Intensität und in ihrer Erzählung sehr berührend. Wolfgang KOCH als Sebastiano, skrupellos, imposant von Statur, und der markante Bariton paßten perfekt zum Rollenbild des Feudalherren.

Und Torsten KERL, der dritte im Bunde, war ein brillanter Pedro. Er schaffte diese wirklich anstrengende Rolle ohne Ermüdungserscheinung. Er bietet die richtige Mischung zwischen Strahlkraft und lyrischem Ausdruck. Auch von der Optik her ist er eine großartige Wahl.

Bei den kleineren Rollen muß man vor allem die junge Andrea BOGNER als sehr schön singende Nuri hervorheben. Die drei bösartigen Fabrikarbeiterinnen Birgid STEINBERGER, Sulie GIRARDI und Regula ROSNI waren ein sehr gut eingespieltes Trio.

Mathias HAUSMANN war in der eher undankbaren Rolle des Moruccios überzeugend. Nicht ganz optimal geführt war Sorin COLIBAN als Tommaso. Seine Maske und Kostüm (der enorme Fellumhang) waren etwas eigenartig und somit ein Handicap für die Rollengestaltung. Solide wurde der Nando gestaltet von Christian DRESCHER.

Mit dem VOLKSOPERNORCHESTER ist es Sebastian WEIGLE gelungen, einen großartigen Klang zu erzeugen, Spannung, große Gefühle und zarte Regungen durch den Klangkörper zu vermitteln. Alles war vorhanden. Und nicht zuletzt muß der Klarinettist Stefan NEUBAUER für sein wunderbares Solo gelobt werden.

Außerordentlich langer Applaus nach dieser Premiere, überglückliche Künstler und ein glückliches, zufriedenes Publikum. EH