ORPHEUS IN DER UNTERWELT" - 1. Februar 2008

"Orpheus in der Unterwelt" ist nicht Offenbachs bestes Werk. Im Vergleich mit "Les Brigands", "Die Großherzogin von Gerolstein" oder "La Belle Hélène" ist der "Orpheus" musikalisch ein wenig schwach, denn diese Operette steht und fällt mit dem all gegenwärtigen Can-can und dessen Choreographie. Das ist allerdings hier nicht wirklich gelungen. Obwohl die große Wiener Tageszeitung "Die Presse" diese Produktion von Helmut BAUMANN als "Kult-Inszenierung" bezeichnet hatte (im Foyer der Volksoper groß angeschlagen), kann man darüber streiten. Die weltweite Marotte alles unbedingt aktualisieren zu wollen, ist hier großteils daneben gegangen. Die Produktion könnte auch für "Desperate Housewives in Las Vegas" passen.

Dabei zeigten die Bühnenbilder von Mathias FISCHER-DIESKAU einige gute Ideen, z. B. den Aufzug, der die Götter zwischen Unterwelt und Olymp pendeln läßt und einige amüsante Versatzstücke, wie der Donnerpfeil Jupiters, ein riesiger Gasanzünder. Ebenso schwanken die Kostüme von Uta LOHER und Conny LÜDERS zwischen lächerlich-göttlich im 2. Akt und dämlich-häßlich im 1. und 3. Akt, was der zündenden Choreographie, für die Roswitha STADLMANN zeichnete, nicht sonderlich nützte. Denn die Can-can-Tänzerinnen waren in grau-schwarze kurz geschürzte punkige Astronauten-Klamotten von unsagbarer Häßlichkeit gehüllt. Da die halbe Vorstellung aus Can-can besteht, war die Erotik des Balletts geopfert worden, um einem billigen Voyeurismus zu huldigen. Der klassische Zusammenbruch der Tänzerinnen-Riege im Spagat erntete natürlich Szenenapplaus. Ein Kenner wie der Dramaturg Christoph WAGNER-TRENKWITZ hätte einige Peinlichkeiten verhüten können.

Gesanglich ist das Werk relativ anspruchsvoll. Daß man zwei Bühnenlieblinge des Sprechtheaters engagiert hatte, die zwar hervorragend spielten, die aber kaum singen können, ist schade für die Künstler und das Publikum. Erni MANGOLD als Öffentliche Meinung zeigte trotz ihres Alters unwahrscheinliches Bühnentemperament und tanzte, als ob sie vier Jahrzehnte jünger wäre, doch die stimmliche Darbietung war peinlich. Sehr treffend war Peter MATI? als Hans Styx in gepuderter Perücke und Rokoko-Kostüm. Er trug seinen gelangweilten Snobismus mit trockenem Humor zur Schau, aber "Als ich noch Prinz war von Arkadien" hat man schon viel besser gesungen gehört.

Blieben also die "alten Hasen" der Gesangs-Branche, um die musikalische Seite der Vorstellung zu retten. Als Antiheld Orpheus gab Sebastian REINTHALLER mit schönem Timbre, schäbig gekleidet, der Titelrolle die richtige Figur des verpatzten Musiklehrers, der sehr froh ist, seine zänkische Ehefrau verloren zu haben. Diese wurde von der attraktiven Jennifer BIRD als gelangweilte Eurydike mit hübscher, entwicklungsfähiger Stimme und viel Temperament dargestellt.

Zwischen Unterwelt und Olymp kamen und gingen die reisenden Götter immer im Aufzug. Kurt SCHREIBMEIER gab Göttervater Jupiter die richtige Wichtigkeit und passenden stimmlichen Ausdruck. Eine aggressive Juno bot Helga PAPOUSCHEK, die keine Gelegenheit verpaßte, auf ihren flatterhaften Göttergatten aufzupassen. Christian BAUMGÄRTL sang sehr feurig den Pluto/Aristeus und spielte ausgezeichnet. Seine Diktion der gesprochenen Texte ist allerdings sehr verbesserungsfähig.

In der weiteren Götterriege war Gerald PICHOWETZ köstlich als kleiner dicker Cupido in Windelhosen, der Mars von Heinz FITZKA war glaubhaft kriegerisch, Wolfgang GRATSCHMAIER zeichnete einen schmierig-schleicherischen Merkur, Johanna ARROUAS war eine hübsch singende Jägerin Diana, Regula ROSIN eine lüsterne Venus und Ulrike PICHLER-STEFFEN eine weise Minerva. Beim Betriebsausflug in die Hölle trieben es Göttinnen und Götter ganz wild. Sehr schön spielte Katharina GÖBL als Orpheus-Schülerin das Violinsolo auf der Bühne.

Auch dieser Abend war in den bewährten Händen von Elisabeth ATTL, die das ORCHESTER mit großem Einsatz und dem richtigen Gefühl für die Tempi leitete. Sie führte auch perfekt die Sänger, sowohl die "alten Hasen" als auch die jungen Neulinge, denen sie den richtigen "Einstieg" zeigte. Der CHOR war von Thomas BÖTTCHER sehr gut einstudiert worden und sang aus vollen Kehlen.

Ein Bombenerfolg beim Publikum, das die Volksoper gestürmt hatte, welche mehrere zusätzliche Vorstellungen einschieben mußte. wig.