"PIQUE DAME" - 13. Oktober 2008

"Pique Dame" ist eine Oper, die keine Mittelmäßigkeit verträgt, in die Tschaikowsky sein Herzblut hinein komponiert hat wie in kaum ein anderes Werk. Nicht nur musikalisch muß die Aufführung perfekt sein, auch die szenische Ausstattung sollte dies sein. Wenn man von der musikalischen Seite höchst zufrieden sein kann, war die Inszenierung von Vera NEMIROVA schon sehr trübsinnig. Das Einheits-Bühnenbild von Johannes LELACKER sieht aus wie ein verkommenes Haas-Haus (gegenüber vom Stephansdom), aber nach vierzig Jahren DDR-Regime, verlottert und grau. Die Kostüme von Marie-Luise STRANDT waren auch nicht angetan etwas Stimmung aufkommen zu lassen. Besonders übel war das "Pastorale", von seltener Vulgarität. Auch der Auftritt von Katharina II. durch den Zuschauerraum paßte wie eine Faust aufs Auge in diese fetzige Inszenierung. Völlig unnötig war die Vergewaltigungsszene auf dem Totenbett der Gräfin, der Hermann das Karten-Geheimnis entlocken will. Obwohl der Katafalk natürlich sehr gelungen war.

Zum Glück erwies sich Seiji OZAWA als umsichtiger und temperamentvoller Dirigent - was er nicht immer in Opern ist. Er arbeitete sowohl die dramatischen Szenen ungemein schwungvoll aus. ließ aber auch die Lyrik der Musik an den richtigen Stellen zu Worte kommen. Das ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER folgte Ozawa mit schwelgendem Ton, wie es nur die Wiener Philharmoniker können. Die hervorragende Leitung des CHORS DER WIENER STAATSOPER durch Thomas LANG war natürlich ein zusätzlicher Plus-Punkt.

Die drei Sänger der Hauptrollen waren allerdings auch ausgezeichnet. Allen voran Anja SILJA als alte Gräfin zeigte wieder einmal, welche großartige Künstlerin sie ist. Die halluzinierenden Ausbrüche sind ebenso glaubhaft wie ihre Tobsuchtsanfälle - eine Dienstbotenschinderin der alten Garde. Und wenn sie ihr französisches Lied von Grétry singt, bleibt einem der Atem weg. Phänomenal! Als ihr Gegenspieler, der halbverrückte Hermann war Neil SHICOFF wieder einmal in seinem Element. Ein spielsüchtiger Psychopath, der alles aufs Spiel setzt, um die drei Karten "Drei - Sieben - As" von der Gräfin zu erfahren und dabei die angebetete Lisa vernichtet. Stimmlich öfters an den Grenzen seiner Möglichkeiten, hielt er trotzdem ständig das Publikum in Atem. Nur sein Selbstmord am Spieltisch war etwas undramatisch.

Lisa, die Frau seiner Träume, war Martina SERAFIN, eine große Tragödin in dieser Rolle, sowohl stimmlich hervorragend als auch darstellerisch ausdrucksstark. Ihrem Verlobten, dem Fürsten Jeletzki, eine ausgesprochen undankbare Rolle, gab Markus EICHE die Noblesse des verzeihenden Mannes, der aber am Schluß in der Spielszene seine Rache kalt ausführt.

Eine liebenswerte Freundin Lisas war Zoryana KUSHPLER als Polina (und Daphnis), die ihr russisches Lied sehr innig sang. Als strenge Gouvernante, die den Mädchen vorwirft, russische Lieder zu singen, war Laura TWAROWSKA passend am Platze. Die Macha (und Chloé) sang Caroline WENBORNE hübsch trotz der idiotischen Verkleidung im Pastorale.

Als Hermanns Kollegen, die ihn verspotten, waren Peter JELOSITS (Tschekalinski) und Goran SIMIC (Surin) richtig am Platz. Im Gegensatz dazu gab Albert DOHMEN dem Grafen Tomski (und Plutus) Würde und Mitgefühl für seinen armen Freund. Clemens UNTERREINER war ein steifer Zeremonienmeister. In der Spielszene des Schlosses hetzten Benedikt KOBEL (Tschaplinski) und Dan Paul DUMITRESCU (Narumov) den bereits gehetzten Hermann noch mehr auf bis zum bitteren Ende.

Ein denkwürdiger Abend, vom Publikum gefeiert - trotz der verpatzten Szenerie. wig.