"FAST EINE PREMIERE"

Diese "Lucia" war zum einen das Rollendebüt von Anna NETREBKO in Wien, zum anderen war es ihr erster Wiener Auftritt nach der Babypause, und die dritte "Premiere" war der Einsatz der Glasharmonika als Begleitung der Wahnsinnsarie (wie von Donizetti vorgeschrieben), und nicht wie heute sonst üblich, von einer Flöte begleitet. Und da zeigte sich, daß es auch ohne hochstilisierte Koloraturen geht, daß zerbrechliche, zarte Töne ebenso effektvoll sein können. Ich persönlich war von dieser Variante sehr angetan und muß auch eingestehen, daß ich von Anna Netrebkos Darstellung und ihrer sängerischen Gestaltung, der schönen breiten Tiefe beeindruckt war. Ihre Stimme ist auf jeden Fall dunkler geworden, was aber nicht negativ zu bewerten ist. Im Gegenteil.

Die männlichen Interpreten waren, sieht man es nüchtern, nicht ebenbürtig, solide, ordentlich, aber nicht berauschend. George PETEANS verfügt über angenehmes Material, aber konnte die Rolle nicht richtig formen. Giuseppe FILIANOTI als Edgardo verfügt ja, wie man schon hören konnte, über eine schöne neutrale Stimme, problematisch scheint bei ihm aber eine gewisse Unebenheit zu sein, nicht immer gab es reine Töne, und die Schlußarie war schon leicht von Ermüdung gekennzeichnet. In der Darstellung war er eher dezent.

Stefan KOCAN war ein sehr stimmschöner Raimondo. Die kleineren Rollen waren diesmal alle nicht stimmschön besetzt. So was sollte es eigentlich nicht geben.

Am Pult stand (in der letzten Zeit im Dauereinsatz) Marco ARMILIATO. Ein sehr aufmerksamer Dirigent, der das ORCHESTER gut im Griff hatte, und für die Sänger die entsprechende Unterstützung bot.

Der Hauptapplaus galt natürlich Anna Netrebko, aber auch die anderen Sänger wurden gefeiert. Es war ein guter Abend, aber trotz Netrebko kein Abend der Superlative. EH