"ELISABETH" - 4. September 2012

Das Musical "Elisabeth" (Text: Michael Kunze, Musik: Sylvester Levay) wurde am 6. September 1992 in Wien uraufgeführt. Mit Unterbrechungen lief es bis 1998 am Theater an der Wien, und in einer leicht veränderten Fassung zwischen 2003 und 2005, während gleichzeitig teilweise veränderte und übersetzte Versionen in Deutschland, Holland, Ungarn, Skandinavien und sogar Japan gespielt wurden. Beinahe auf den Tag genau zwanzig Jahre nach der Uraufführung hatte das Musical nun in einer überarbeiteten Fassung wieder in Wien Premiere - diesmal allerdings am Raimundtheater, da das Theater an der Wien inzwischen zum dritten Opernhaus der Stadt (neben Staatsoper und Volksoper) umgewidmet wurde.

Die meisten Änderungen folgen zwei bestimmten Linien: Einerseits ist nun ein zentraler Inhalt der stärker herausgearbeitete Konflikt zwischen Elisabeth und der Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie (sowohl gesanglich als auch darstellerisch gut gespielt von Daniela ZIEGLER), der sich konsequent durch das ganze Stück zieht (im Vergleich zur Urfassung, in der im zweiten Akt nur mehr wenig davon zu sehen war). Andererseits waren die Autoren bemüht um eine bessere Verständlichkeit für ein Publikum ohne historische Vorbildung; erklärende Zwischentexte wurden eingefügt, aber auch ganze Szenen, die zeigen, worauf ursprünglich nur vage Bezug genommen wurde.

Davon profitiert vor allem die Rolle des Kronprinzen Rudolf (als Kind: Aeneas HOLLWEG, als Erwachsener: Anton ZETTERHOLM - beide stimmlich gut besetzt, wenn das Kind auch leider hölzern agiert), die auf diese Weise deutlich ausgebaut wurde. Zudem wird die erste Begegnung zwischen Elisabeth und dem Tod nun zu einer eigenen Szene (ursprünglich eingefügt für die niederländische Fassung), um den Handlungsstrang zwischen diesen beiden Hauptpersonen besser abzurunden. Dadurch ergeben sich zwei nunmehr klarer umrissene Haupthandlungen, nämlich Elisabeths Beziehung zu ihrem Mann, Kaiser Franz Joseph, überschattet vom Konflikt mit Sophie, auf der einen Seite, und auf der anderen Elisabeths persönliche Entwicklung, gezeigt in ihrer Beziehung zum Tod.

Auch Regie und vor allem Bühnenbild sind diesen Veränderungen angepaßt. Die präzise, intelligente Personenführung von Harry KUPFER ist auf gewohnt hohem Niveau, wenn auch die Massenszenen, sonst seine ganz besondere Stärke, hier (wie für Musicals üblich) choreographiert sind. Spektakulär sind die Änderungen des Bühnenbilds von Hans SCHAVERNOCH. Wie bei vielen seiner letzten Arbeiten, nützt er Videoprojektionen für einen stimmungsvollen Hintergrund, wo das Bühnenbild davor unbewegt war. Speziell erwähnenswert sind hier das Riesenrad während "Nichts ist schwer" (nun entsteht wirklich der Eindruck, daß es sich dreht, und das junge Kaiserpaar hoch über dem Boden schwebt) und der Blick aufs Meer bei "Boote in der Nacht", wo während der Szene langsam die Dunkelheit hereinbricht. Die Kostüme von Yan TAX (als einziger neu im Team) sind ähnlich wie zuvor, aber schlichter gestaltet.

Ein Teil der Besetzung wurde von der letzten deutschen Produktion übernommen, so etwa die beiden Hauptfiguren, Elisabeth und der Tod. Annemieke VAN DAM als Elisabeth überzeugt zwar durch ihre Erscheinung, doch leider nicht durch ihre Stimme; in den Höhen neigt sie entweder zum Piepsen oder zum Kreischen. Schauspielerisch begann sie eher affektiert, besserte sich dann aber im Laufe der Vorstellung zusehends. Besser war Mark SEIBERT als Tod; im Gegensatz zu anderen orientierte er sich bei der Darstellung der Figur nicht einfach an einem Vorgänger, sondern suchte seinen eigenen Weg, auch gesanglich. Passend dazu geht die Regie ab von der bisherigen eher androgynen Darstellung. Seibert spielt einen maskulineren Tod, als man ihn zuvor in Wien gesehen hat; gleichzeitig wagt man aber auch leicht homoerotische Untertöne in der Beziehung zu Rudolf. Ebenfalls gut gewählt war Franziskus HARTENSTEIN als Franz Joseph, dessen tieferes Timbre vor allem zum älteren Kaiser passte. Eher enttäuschend hingegen Kurosch ABBASI als Lucheni, der seine Vorgänger imitierte, ohne dabei das Niveau eines Ethan Freeman (Urbesetzung) zu erreichen.

Insgesamt ist der Neustart des Musicals gelungen, die Überarbeitung ist sinnvoll und durchdacht. Weil nur eine einzige Szene auf Kosten der neuen gestrichen wurde, ist die Produktion jetzt insgesamt länger. Wenn auch der Fokus ganz zu Beginn des zweiten Aktes fast zu sehr auf Elisabeths persönlicher Entwicklung liegt, und der neue Text der zweiten Strophe von "Ich will dir nur sagen" etwas holprig ist, die neue Fassung übertrifft eindeutig die alte. Und die enorme Nachfrage nach Karten (bis Jahresende fast ausverkauft) bestätigt das. LR