"DON PASQUALE" - 2. Januar 2006

Und er sang doch… Nachdem Juan Diego FLOREZ die beiden ersten Vorstellungen krankheitsbedingt absagen mußte, und eine Pressemitteilung herausgegeben wurde, daß er keine der angesetzten Vorstellungen singen würde, wagte er sich am 2. Januar doch auf die Bühne, obwohl er noch nicht ganz auf dem Damm war (er ließ sich denn auch ansagen).

Was soll man unter diesen Umständen auch sagen? Lag es daran, daß er angeschlagen war, oder ist die Stimme für Rossini bereits nicht mehr das Ideale? Flórez besitzt zweifellos ein schönes Timbre. Die Höhen sitzen, die Mittellage ist ausgeprägt. Das Stimmvolumen ist für einen Rossinitenor (und für das Zürcher Opernhaus) eher groß. Allerdings hat mich sein ausgeprägtes Mecker-Vibrato erschüttert. Noch vor knapp einem Jahr bei seinem umjubelten Auftritt in "La Cenerentola" war davon nichts zu hören. Ich bezweifle, daß es nur an seiner Indisposition lag und kann nur hoffen, daß er diesen Mangel wieder ausmerzen kann. Ansonsten bemerkte man in einigen Passagen leichte Unsicherheiten beim Halten der Spitzentöne, aber im Grossen und Ganzen durften er und das Publikum mit der Leistung sehr zufrieden sein.

Isabel REY ist eine quirlige Norina, die ihre "böse" Rolle perfekt ausspielt. Ihre Stimme ist seit der Premiere (ca. 1997) zwar etwas schwerer und in den Höhen schärfer geworden, aber trotzdem verfügt sie stimmlich - und vor allem darstellerisch - über alle notwendigen Eigenschaften, um die Rolle in allen Facetten zu gestalten.

Auch an Ruggero RAIMONDIs Stimme sind die Jahre nicht spurlos vorbei gegangen. Sie ist brüchiger geworden, doch verkörpert er den "armen" (?) Don Pasquale nach wie vor prägnant und anrührend. Erstaunlicherweise vermag er in Rossini-Rollen seine Unart (vernuschelte Artikulation) zu beseitigen. Die Diktion ist vorzüglich.

Oliver WIDMERs Stimme ist meine Sache nicht wirklich, ist sie doch für mein Empfinden zu eindimensional und vibratoreich. Trotzdem: Sein Dr. Malatesta gehört zum Besseren, was er auf die Bühne bringt. Er versprüht (wie übrigens Isabel Rey und Ruggero Raimondi, leider nicht unbedingt Juan Diego Flórez) viel Spaß an der Rolle und spielt sie voll aus.

Die Inszenierung von Grischa ASAGAROFF empfinde ich - im Gegensatz zu einigen meiner Bekannten - nach wie vor als gelungen. Daß Pasquale angeblich lächerlich gemacht wird, kann ich nicht nachvollziehen. Sicherlich ist es nicht Usus, daß ein alternder Mann sich mit Teddybären umgibt. Aber warum soll man damit nicht etwas Wärme finden? Die Personenführung ist liebevoll, augenzwinkernd und "werkgetreu". Ich bin immer wieder zutiefst berührt, wenn Norina Don Pasquale eine Ohrfeige verpaßt, und er komplett zerstört "Ah! è finita, Don Pasquale…" singt. Dies alles hat er doch nicht verdient, auch wenn er alles andere als tolle Qualitäten aufweist.

Am Dirigat von Nello SANTI merkte man, daß die Aufführung fürs Fernsehen (DVD) aufgenommen wurde. Endlich war der Maestro wieder einmal inspiriert, ließ schon in der Ouvertüre das Feuer entfachen und hielt die Spannungsbögen. Einige Diskrepanzen zwischen Bühne und Orchester scheinen bei ihm jedoch unvermeidlich zu sein.

Fazit: ein netter, unterhaltender Abend mit viel Witz und Spannung. Was vom Lobgesang über Flórez zu halten ist, weiß ich noch nicht. Das Publikum allerdings stand Kopf! Chantal Steiner