"VEC MAKROPULOS" - 25. Juni 2006

Zwei Sängerinnen dürften in den letzten Jahren in der Rolle der Emilia Marty dominiert haben. Hildegard Behrens und Anja Silja. Nun wird man eine dritte hinzufügen müssen. Gabriele SCHNAUT ist diese "neue" Emilia Marty.

Wie sie nur dasitzt auf der dunklen Bühne, angeleuchtet von einem einsamen Scheinwerfer, drückt sie all den Überdruß eines Menschen aus, der schon über 300 Jahre leben mußte, und der alles bereits einmal gesehen und erlebt hat, ist aber zugleich mittendrin und spielt die Spiele zwischen Mann und Frau, Star und Verehrer so perfekt mit, daß alle Männer sich in sie verlieben müssen. Hier ein kurzes Lächeln, dort die kalte Schulter oder die wehmütige Erinnerung an den wohl einzigen Menschen, den sie je geliebt hat; wohlgemerkt vor über 100 Jahren. Nur eine solche Präsenz kann diese Rolle zum Leben erwecken und die Spannung dieses Konversationsdramas über die gesamten drei, wenn auch kurzen, Akte halten.

Regisseur Klaus Michael GRÜBER läßt alles mehr oder weniger laufen, beläßt alles in der Originalzeit mit den Kostümen der Ära (geschmackvoll gestaltet von Moidele BICKEL) und verläßt sich ganz auf seine Hauptdarstellerin. Die Bühne (Titina MASELLI) bleibt bis auf ein paar Sessel oder einen Schrankkoffer leer und dunkel. Mit Ausnahme einer lebensgroße Lokomotive, deren Funktion sich erst am Ende erklärt, als die Marty nicht einfach tot zusammen bricht, sondern sich vor den Zug wirft, der sich düster in Richtung Zuschauerraum bewegt. Zuvor, als sie ihre Geschichte erzählt, zunächst betrunken taumelnd, dann nüchtern werdend vom Fluch des langen Lebens berichtet, ist das der absolute Höhepunkt der Aufführung. Wie sie erzählt vom Vater, dem Leibarzt Kaiser Rudolfs des Zweiten, der die Sechzehnjährige als Versuchskaninchen "mißbraucht" für seine Formel des dreihundertjährigen Lebens, wie sie die Zeit mit unzähligen Affären zugebracht hat, wie sie nichts mehr berühren kann, und sie mit der Zeit immer kälter geworden ist, das ist so fesselnd, bewegend und erschreckend, wie Janácek es gewollt hat.

Dass die anderen Darsteller dabei zu Statisten werden, ist Teil der Oper. Trotzdem füllen Krista (Martina JANKOVA), deren Liebhaber Janek (Boguslaw BIDZINSKI), den die Marty in den Selbstmord treibt, die Kontrahenten Gregor senior (Peter STRAKA) und Sohn Vitek (Volker Vogel) gegen Janeks Vater Baron Prus (Alfred MUFF) ihre Rollen ganz aus.

Auch Philippe JORDAN am Pult und das ORCHESTER DER OPER ZÜRICH schaffen die atmosphärische Dichte, die das Stück ausmacht.

Bleibt zu hoffen, dass Frau Schnaut Gefallen an der Rolle gefunden hat, und die Partie noch des Öfteren ausgestalten wird. KS